nd-aktuell.de / 26.02.2015 / Politik / Seite 2

Öcalan - Ankaras Staatsfeind und Verhandlungspartner Nr. 1

Der bewaffnete Kampf für staatliche Eigenständigkeit war Gründungsziel der PKK / Heute heißen die Ziele Aussöhnung und Minderheitenrechte

Roland Etzel
Die PKK hat hinsichtlich der Kurdenfrage eine erkennbare Entwicklung hinter sich. Der türkische Staat auch.

Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ist nicht die einzige, aber zweifellos die größte und bekannteste kurdische Kraft in der Türkei. Gegründet 1978 war es ihr Ziel, sowohl mittels bewaffneten als auch politischen Kampfes einen unabhängigen kurdischen Staat zu erreichen. Über dessen Ausdehnung wurde nichts Konkretes zu Papier gebracht. Man wollte sich wohl nicht mit allen vier Staaten anlegen, in denen es nennenswerte kurdische Siedlungsgebiete gibt. Militärisch aktiv war die PKK ausschließlich in der Türkei.

Vor allem in den 80er und 90er Jahren präsentierten sich die kurdischen Kämpfer - und nicht wenige Kämpferinnen - der türkischen Armee als überaus ernstzunehmende Gegner bei den zahlreichen bewaffneten Zusammenstößen im Südosten des Landes. Nicht selten ging Ankara mit Tausenden Soldaten am Boden, mit seiner Luftwaffe und schwerer Artillerie gegen vermutete PKK-Stellungen vor. Dieser Krieg im eigenen Land forderte mindestens 20 000 Todesopfer, darunter fast ein Viertel Zivilisten. Dennoch war er für die türkische Armee - nach der israelischen die stärkste in der Region - rein militärisch nicht zu gewinnen.

Für die Kurden allerdings erst recht nicht. Das Hochgebirge bot einer auf Guerillataktik eingestellten Truppe ausreichend Rückzugsmöglichkeiten. Eine reguläre Armee noch dazu mit schweren Waffen ist da meist im Nachteil. Ganz wichtig auch: Die PKK hatte mit Syrien einen Rückzugsraum. Bis 1997 waren die syrischen Siedlungsgebiete der Kurden, auch das inzwischen weltbekannte Kobane, sichere Orte für Ausbildung jeglicher Art, Schule und nicht zuletzt politische Betätigung. Für den PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan war das eine recht komfortable Situation.

Diese änderte sich aber grundlegend, als die türkische Führung begann, Syrien zu erpressen. Man drohte nicht nur mit Krieg, was der Türkei wohl schlecht bekommen wäre. Ankara kündigte auch unverhohlen an, den Wasserdurchlauf am Euphrat erheblich einzuschränken. Für die Landwirtschaft in Nordostsyrien hätte das katastrophale Folgern gehabt. Syriens Präsident Hafez al-Assad reagierte und setzte Öcalan mitsamt seiner Kommandozentrale kurzfristig vor die Tür.

So musste Öcalan im September 1998 Syrien fast fluchtartig verlassen. Es folgten vergebliche Versuche, irgendwo in Westeuropa Asyl zu erhalten. Schließlich landete Öcalan in Kenia, wo ihn ein türkisches Killerkommando kidnappte und in die Türkei entführte, wo er seitdem auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftiert ist.

Ankara hielt es aufgrund scharfer internationaler Warnungen für angeraten, Öcalan nicht, wie geplant, hinzurichten. Dieser wiederum verlegte sich fortan auf eine Verhandlungsstrategie.

In seiner nunmehr schon 15-jährigen Gefangenschaft unterbreitete Öcalan immer wieder Pläne für eine kurdisch-türkische Aussöhnung, die von der türkischen Regierung zwar niemals offiziell zur Kenntnis genommen wurden. Dennoch verhandelt man die ganze Zeit mit Öcalan, allerdings informell. Konkrete Vereinbarungen gibt es deshalb nicht.

Dennoch hat vor allem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan das rigide antikurdische Grundverständnis des türkischen Staates in den zurückliegenden Jahren aufgeweicht. Die Möglichkeiten für kurdische Bildungsinhalte, Kultur und Medien haben sich nennenswert verbessert, auch wenn sie von den Kurden selbst zu Recht als halbherzig empfunden werden. Auch wenn das von offizieller türkischer Seite niemals jemand einräumen würde, die geschmeidigere Haltung der PKK hat zu diesen Fortschritten beigetragen.