Golfstaaten im Zickzackkurs

Nicht zuletzt wegen Libyen ist die Suche nach einer gemeinsamen Linie dringlich

  • Martin Hoffmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Trotz des Bemühens, nach außen hin eine einheitliche Linie zu vertreten, sind die arabischen Golfstaaten weit davon entfernt. Das spiegelt auch der Machtkampf in Libyen wider.

Angesichts der festgefahrenen Verhandlungen haben Vertreter der Vereinten Nationen am Mittwochabend eine Reihe von »Dringlichkeitsgesprächen« mit den rivalisierenden politischen Institutionen in Libyen geführt. Ziel sei es, den Dialog zwischen beiden Seiten wieder in Gang zu bringen, teilte die UN-Unterstützungsmission in Libyen (UNSMIL) mit. Gemeint sind die »dschihadistische« Regierung in der Hauptstadt Tripolis und die »gemäßigte«, vom Westen unterstützte in der nordöstlichen Stadt Tobruk. UNSMIL rief die rivalisierenden Parteien auf, »ihren Einsatz für eine friedliche Beilegung der Krise zu erhöhen«. Das dürfte kaum mehr als ein frommer Wunsch bleiben, solange andere arabische Staaten ihre Rivalitäten auf dem Boden Libyens austragen.

Nach den Bombardements ihrer Luftwaffe in Libyen ging die ägyptische Regierung in die diplomatische Offensive. Bereits Anfang vergangener Woche sprach Präsident Abdelfattah al-Sisi von der Notwendigkeit einer von der UNO abgesegneten militärischen Intervention gegen Dschihadisten in Libyen und verwies dabei auch auf die Bedrohung, die für Europa bestehe. Da das ägyptische Ansinnen bisher bei westlichen Regierungen auf wenig Zustimmung stieß, schwächte die ägyptische Regierung die Forderung nach direkter Intervention jedoch im Laufe der vergangenen Tage ab.

Der aktuelle ägyptische Vorschlag sieht nun vor, das 2011 gegen Libyen verhängte Waffenembargo aufzuheben. Damit sollen die Milizen der Tobruker Regierung mit Waffen ausgestattet werden. Gleichzeitig soll eine Seeblockade gegen die Milizenkoalition in Tripolis verhängt werden. Die Regierung in Tobruk will man »gegebenenfalls« weiter mit Militärschlägen unterstützen.

Die ägyptische Regierung präsentierte den Vorschlag auch der Arabischen Liga. Dort sprach eine Mehrheit der Staaten zwar ihr »Verständnis« für die ägyptischen Luftangriffe aus, doch mit Katar gab es auch einen Gegner. Der Golfstaat unterstützte bisher die sogenannten Fadschr-Milizen im Westen des Landes, die sich aus zahlreichen mehr oder weniger islamistisch gesinnten Gruppen zusammensetzen, und protestierte gegen eine Einmischung zugunsten der Tobruk-Regierung und der zu ihr loyalen Milizenkoalition unter General Khalifa al-Haftar.

Der Widerspruch Katars spiegelte erneut den Graben des Landes zu Ägypten wider, seit in Ägypten das Militär den von den Muslimbrüdern getragenen Präsidenten stürzte und wieder die Macht übernahm. Der Golfstaat mit den drittgrößten Gasreserven der Welt und dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen unterstützte während der Amtszeit von Präsident Mohammed Mursi dessen Regierung mit großzügigen Finanzhilfen und setzt auch in Libyen auf Milizen, welche den Muslimbrüdern ideologisch nahestehen.

Katar erntete dafür jetzt wütende Reaktionen von ägyptischer Seite. Der ägyptische Gesandte bei der Arabischen Liga, Tarek Adl, warf Katar vor, den internationalen Terrorismus zu unterstützen und die Einheit der Liga zu untergraben - worauf Katar postwendend seinen Botschafter aus Ägypten abzog.

Im libyschen Machtkampf steht Katar nicht nur in Opposition zu Ägypten, sondern auch zu den anderen Golfstaaten. 2011 beteiligten sich Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) noch gemeinsam mit Luftangriffen an der westlichen Koalition, die den Sturz Muammar al-Gaddafis in Libyen herbeiführte. Im aktuellen Machtkampf hingegen unterstützen die beiden Golfstaaten jeweils eine Seite der rivalisierenden Machtblöcke in Libyen. Während Katar zusammen mit der Türkei die Fadschr-Milizenkoalition in Tripolis unterstützt, stehen die anderen Golfstaaten und Ägypten hinter Tobruk. Die VAE ließen sogar Luftangriffe gegen die Fadschr-Milizen fliegen.

Saudi-Arabien versucht schon seit Monaten, den Riss zwischen Katar auf der einen und den restlichen Golfstaaten sowie Ägypten auf der anderen Seite zu überwinden. Der Kern des Konflikts ist die Berichterstattung des katarischen Senders Al-Dschasira zur Machtübernahme des Militärs in Ägypten. Der Sender berichtete fast täglich von islamistischen Protesten gegen die Militärregierung und untergrub damit deren Darstellung, wonach die absolute Mehrheit der Ägypter hinter Sisi stehe.

Vor allem aufgrund dieser unzweifelhaften Parteinahme zugunsten der Muslimbrüder ist das Misstrauen zwischen Katar und der Regierung in Ägypten nach wie vor hoch. Durch die Vermittlungsversuche Saudi-Arabiens war in der jüngeren Vergangenheit zwar ein leichtes Entgegenkommen auf beiden Seiten zu beobachten. So willigte Katar ein, den ägyptischen Ableger von Al-Dschasira zu schließen. Kairo ließ im Gegenzug drei seit über einem Jahr inhaftierte Journalisten des Senders frei.

Doch die aktuellen gegensätzlichen Parteinahmen im libyschen Machtkampf zeigen, dass sowohl zwischen den Golfstaaten untereinander als auch zwischen Katar und Ägypten noch vieles im Argen liegt.

Der politische Analyst und ehemalige Außenminister des Königreichs Bahrain sagt über den Mangel einer einheitlichen außenpolitischen Linie unter den Golfstaaten: »Jedes Mitglied des Golfkooperationsrates hat nach dem Umbrüchen seine eigene Politik gemacht, um seinen Einfluss in den Krisenländern auszuweiten.« Und daran wird sich so schnell nichts ändern.

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