nd-aktuell.de / 27.02.2015 / Politik / Seite 7

Kalter Frieden und Stillstand in Duschanbe

Von den Parlamentswahlen in Tadshikistan ist keine Veränderung im postsowjetischen Armenhaus zu erwarten

Elke Windisch, Moskau
Im autoritär regierten Tadshikistan wird am Sonntag gewählt und vorerst alles so bleiben, wie es ist. Auch die Armut.

Die Opposition kommt in den Medien so gut wie nicht vor und wird auch sonst klein gehalten. Beim Wahlakt füllen Familienoberhäupter für die ganze Sippe Stimmzettel aus. So mancher wird bei der Auszählung »umgewidmet« oder verschwindet auf dem weiten Weg in die Hauptstadt Duschanbe. Demokratische Mindeststandards seien um Längen verfehlt worden, rügte sogar die sonst eher vorsichtige Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als 2010 das Parlament der zentralasiatischen Republik Tadshikistan neu gewählt wurde.

Am Sonntag werden die Repräsentanten-Versammlung und vier Wochen später das Oberhaus, der Nationalrat, neu gewählt. Doch die Bilanz westlicher Wahlbeobachter dürfte erneut vernichtend ausfallen. Denn der Staat, das ist der Präsident: Emomali Rahmon. Der 62-jährige regiert seit 23 Jahren und fährt bei fragwürdigen Bestätigungen im Amt die gleichen rekordverdächtigen Zustimmungsraten ein wie die Kollegen Despoten in den Nachbarrepubliken- Ebenso seine Hausmacht - die Volksdemokratische Partei Tadschikistans - bei den Parlamentswahlen. Derzeit stellt sie 46 der 63 Abgeordneten. Von den 33 Senatoren ernennt der Präsident acht, der Rest wird von den regionalen Parlamenten »gewählt«. Dort sind die Mehrheitsverhältnisse ähnlich eindeutig wie in der Repräsentanten-Versammlung.

Die dort vertretenen Parteien sind vor allem der politische Arm regional organisierter Clans. Gegen sie kämpfte schon die Sowjetmacht vergebens und arrangierte sich schließlich mit der stärksten Gruppierung: Nordlichtern aus der Region Chodschent.

Als die 1992 bei den ersten und bisher einzigen halbwegs demokratischen Wahlen abdanken mussten, eskalierten ethnische und religiöse Spannungen zum Bürgerkrieg. Ihn beendete erst im Sommer 1997 ein vom der UNO, Russland und Iran vermittelter Kompromiss. Er bestätigte Rahmon im Amt, der sich mit Moskaus Rückendeckung schon nach wenigen Kriegsmonaten durchgesetzt und Ende 1992 erstmals zum Präsidenten hatte wählen lassen. Für die islamische Opposition als Kriegsgegner war eine 30-prozentige Regierungsbeteiligung vorgesehen. Weitere 20 Prozent sollten an säkulare Parteien gehen.

Das Ergebnis: Kalter Frieden und Stillstand. Tadshikistan ist das ärmste Land im postsowjetischen Raum und belegt auch weltweit nur Rang 156 von insgesamt 190. Durch die UNO-Quote selbst ein Teil des Systems und auf diese Weise versorgt, ist die Opposition an politischen und wirtschaftlichen Reformen nicht mehr interessiert. Ohne nennenswerten Widerstand konnte Rahmon den Proporz daher immer mehr zu seinen Gunsten manipulieren.

Moskau ist weiter als Schutzmacht in dem Land am Pamir präsent. Russische Soldaten sollen vor allem verhindern, dass islamische Fundamentalisten, die sich durch grenzüberschreitenden Drogen- und Waffenhandel finanzieren, über die 1100 Kilometer lange Grenze zu Afghanistan nach Zentralasien und von dort weiter nach Russland expandieren.

Aus Angst vor den Islamisten unterzeichnete Rahmon 2009 auch ein Gesetz, das religiöse Betätigung ohne staatliche Registrierung untersagt. Minderjährigen sind seit 2011 generell der Besuch von Moscheen und die Teilnahme an religiösen Zeremonien verboten. Einzige Ausnahme: Beerdigungen

Groß ist auch die Angst, Nachbar Usbekistan könnte versuchen, mit zahlenmäßig wie technisch weit überlegenen Streitkräften, die Ergebnisse Stalinscher Teile-und-Herrsche-Politik korrigieren. Große Minderheiten leben faktisch rechtlos im jeweils anderen Staat, mehrere Regionen werden von beiden beansprucht. Dazu kommen Verteilungskämpfe. Es geht um Wasser, Öl und Gas. Die sind in Zentralasien zwar reichlich vorhanden, aber sehr ungleich verteilt. Das Bergland Tadshikistan, wo die großen Flüsse entspringen, staut das Wasser mangels Alternativen zur Stromerzeugung auf. Unten in der Ebene - in Usbekistan - kommt dadurch im Sommer häufig so wenig an, dass Baumwoll- und Weizenernten auf dem Halm verdorren. Russland wechselt bei dem Gerangel gern - je nach politischer Zweckmäßigkeit - die Fronten.