nd-aktuell.de / 03.03.2015 / Politik / Seite 20

»Die Fiesta ist bald vorbei!«

Empörung über Stierkampf-Massentraining für Kinder im spanischen Albacete

Emilio Rappold, Madrid
Mit dem Stierkampf werden in Spanien Milliarden umgesetzt. Noch immer durchlaufen selbst kleine Kinder Matadorentraining. Ein auch von der Regierung organisierter Kongress löst heftigen Protest aus.

Beim Anblick der Bilder aus Albacete bekommen viele Spanier Wutanfälle. Bei einem Stierkampf-Massentraining auf dem Altosano-Platz der südöstlichen Stadt machen auch Kleinkinder mit. Begeisterte Eltern und Großeltern rufen immer wieder »Olé«, fotografieren und filmen stolz ihre Sprösslinge. Sogar Zwei- und Dreijährige schwingen bei dem Stierkampfkongress das rote Tuch und machen jene Bewegung nach, mit der der »Matador« dem Tier mit seinem Schwert in den Nacken sticht, um ihn zu töten, wie etwa die Zeitung »El Diario« berichtet.

In Spanien, wo der Stierkampf zunehmend umstrittener wird und vor allem unter den Jüngeren immer mehr an Attraktivität verliert, ist die Empörung groß. »Das ist obszön«, sagt etwa Marta Esteban, die Präsidentin des Tierschutzorganisation »La Tortura no es Cultura« (Tortur ist nicht Kultur). Und »El Diario« klagt, den Kindern in Albacete sei regelrecht »das Töten beigebracht« worden.

Das Stierkampf-Massentraining am Wochenende war Teil des Rahmenprogramms des I. Internationalen Kongresses für Stierkampfkunst. Für Ärger sorgt allein schon, dass das Treffen von rund 400 Kämpfern, Experten, Politikern, Unternehmern, Züchtern und Intellektuellen aus neun Ländern von öffentlichen Stellen mitfinanziert und mitorganisiert wurde.

Großen Unmut löst unter Tierschützern und vielen Oppositionspolitikern die Forderung von Rednern aus, Stierkampf in Spanien zum Schulfach zu machen. Damit könne man »dem großen Problem des Generationenwechsels begegnen«, erklärte etwa der angesehene Universitätsprofessor und Jurist Javier López-Galiacho.

Ein solcher Antrag verstoße gegen den Aufruf des UNO-Komitees für Kinderrechte, die Kinder - auch in Portugal und Kolumbien - vor der »physischen und psychischen Gewalt« des Stierkampfes zu schützen, erklärt die LTNEC. Schautrainings wie das von Albacete seien dabei das kleinere Übel. Esteban berichtet, dass in der spanischen Provinz noch heute schon sehr kleine Kinder zu Kämpfern ausgebildet werden. Dabei stoßen die Matadores in spe häufig mit Schwertern so lange auf kleine Kälber ein, bis die Tiere sterben. Aber auch Kinder kämen dabei ums Leben.

Beim Kongress in Albacete durften Stierkampfgegner nur fernab des Veranstaltungsortes protestieren. Esteban ist allerdings davon überzeugt, dass »die Tage des Stierkampfes in Spanien gezählt sind, weil die Gesellschaft das so will«. Die anachronistische Tradition werde in erster Linie mit öffentlichen Subventionen von mehreren hundert Millionen Euro jährlich künstlich am Leben gehalten, die auch aus EU-Hilfsgeldern für Viehzucht stammten. Es gibt immer mehr Proteste und regionale Verbote, die Zuschauerzahlen sind rückläufig. Nach Umfragen sähen um die 70 Prozent aller Spanier den Stierkampf gern verboten.

Zu den Gegnern gehören aber weder die meisten Angehörigen der konservativen Regierung von Premier Mariano Rajoy noch die Zehntausende, die zum Sanfermin-Fest im Frühsommer immer noch Schlange stehen, um die Madrider Arena am Las-Ventas-Platz zu füllen und die besten Matadoren im Triumphzug auf Schultern aus der Arena zu tragen. Fans wie Rentner José (72), der in einem Café der Hauptstadt in die Runde ruft: »Die Toros (Stiere) verbieten? Ach was. Beim Fußball fließt doch auch Blut.«

Unter den Stierkampffans ist Ex-König Juan Carlos. Der 77-Jährige würdigte kürzlich »die Intelligenz, den Mut, die Geschicklichkeit und Kunst« der Stierkämpfer. Esteban bereiten solche Bekundungen keine Sorgen: Juan Carlos habe spätestens seit dem Skandal um seine Elefantenjagd in Botswana keine Vorbildfunktion mehr. Sie ist überzeugt: Am 28. März wird eine große Protestdemo den Anfang vom Ende einleiten. dpa