»Hirn oder Hintern?«

Eine Ex-Mitarbeiterin der CSU-Zentrale hat ein Buch über die dortige Machokultur geschrieben. Schon die Debatte darüber ist bezeichnend

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine frühere Pressereferentin nennt die CSU eine Ansammlung von sexuell frustrierten alten Männern - und bietet ein Lehrstück über Konservatismus und Stöckelschuhe.

Wie hat man sich eigentlich den Tonfall hinter den CSU-Kulissen vorzustellen? Zum Beispiel so: Kommt ein Parteistratege während des Landtagswahlkampfes 2013 in die Kampagnenzentrale, guckt in die Runde und wendet sich an die weiblichen Anwesenden: »Na, was betont ihr lieber? Hirn oder Hintern?«

Diese und ähnliche, teils noch drastischere Episoden berichtet zumindest Mareike Daum, eine Politologin Anfang 30, die fünf Jahre in der christsozialen Parteizentrale beschäftigt war - und über diese Zeit ein Enthüllungsbuch verfasst hat, das nun zum Frauentag am 8. März auf den Markt kommt. Zumindest über erhebliche Strecken, schreibt sie darin, habe sich diese Zeit als sexualisiertes Spießrutenlaufen dargestellt. Nachdem Alexander Dobrindt, der sie als Pressereferentin eingestellt habe, nach Berlin entschwand, habe sich eine Situation ergeben, die sie am Ende - ärztlich attestiert - psychisch belastet und zur Kündigung Ende Januar getrieben habe.

Die CSU reagierte schmallippig. In einer Mitteilung heißt es, Daum habe solche Vorwürfe während ihrer Anstellung nicht thematisiert. Man habe sich im Einverständnis getrennt. Ansonsten sage man nichts zu derlei Interna. Daum stellt das anders dar.

Die Autorin des Buchs, das unter dem Titel »High Heels an die Macht - Feminismus, aber sexy« in einem kleinen Verlag erscheint, nimmt kein Blatt vor den Mund. In einem großen Vorabartikel in der »Bild«-Zeitung bezeichnete Daum die Partei als eine »Ansammlung von geilen, alten und frustrierten Männern«.

In einem Wechselbad von eindeutigen Angeboten und Anfeindungen à la »blond ist blöd« hätten diese ihr »Leben zur Hölle« gemacht. Ablehnung habe sie auch seitens weiblicher Beschäftigter erlebt. Die hätten ihr offenbar unterstellt, ihren Körper für ihre Karriere einzusetzen.

Daums »Problem« - und die Tatsache, dass »Bild« eine große Geschichte machte - erklärt sich schon anhand des Buchtitels. Der zeigt eine junge Frau mit kurzem Rock und Stöckelschuhen auf einer Schreibtischkante. Das ist eine Pose, die wohl besonders konservative Männer einerseits herrlich »unemanzipiert« und elektrisierend finden. Andererseits werden gerade Frauen, die einem solchen Schönheitsideal entsprechen, in eben diesen Kreisen oft abwertend behandelt: die klassische Doppelmoral von Heiliger und Hure.

Gerade mit diesem Komplex scheint Daum zu spielen, obgleich das Buch auch Politologisches über Männer in hierarchischen Strukturen enthält. Der »Bild«-Artikel etwa war mit einem Foto illustriert, das sie in einem sehr kurzen rosa Kleidchen zeigt. Die absehbare Reaktion findet sich im Internet: Nach Kommentaren von der Art, dass sich, wer sich so gebe, ja »nicht zu wundern braucht, wenn ...« muss man nicht lange suchen. Und auch nicht nach Einlassungen, hier wolle jemand nur PR machen.

Dass Daum, die sich als »Alice Schwarzer 2.0« vorstellt, mit einem solchen Selbstversuch den Feminismus neu erfindet, kann man bezweifeln. Womöglich wird der boulevardeske Auftritt es der CSU erleichtern, die Causa kleinzuhalten.

Nicht absprechen kann man der Autorin eine gewisse Schlagfertigkeit. So habe sie auf die Frage nach Hirn oder Hintern wie folgt geantwortet: »Ich betone entweder Hintern oder Dekolleté. Hirn brauche ich nicht zu betonen. Hätte ich keines, wäre ich nicht hier.« Die Reaktion sei allgemeines Raunen gewesen.

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