Kein Clown

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.

Was hat das Neubrandenburg des Jahres 2015 mit Reykjavik anno 2010 gemeinsam? Wenig Geld und einen Schalk im Nacken: Wenn die Politiker immer sagen, sie hätten ohnehin kaum Mittel für Vorhaben jenseits der gesetzlichen Pflicht, wieso sollte man dann einen Politiker wählen? Und nicht jemanden, der wenigstens witzig ist?

Das war der Gedanke, der einst die Reykjaviker dazu bewegte, den Komiker Jon Gnarr zum Bürgermeister zu machen. Und manch einer unter den 43 Prozent Neubrandenburger Wählern, die nun bei der Oberbürgermeisterwahl ihre Stimme dem vor Ort als Kabarettisten bekannten Silvio Witt gaben, mag so gedacht haben.

Bei näherem Hinsehen hinkt der Vergleich freilich. Anders als Gnarr - mit dem er in Kontakt steht - ist der 1978 in Neustrelitz geborene Betriebswirt, der auch eine Kommunikationsagentur betreibt, nicht als Clown angetreten. Sondern mit ernsthaften Vorschlägen, die sich u. a. auf eine Vernetzung von Bildung und Wirtschaft und auf den Sportstandort beziehen. Ein wenig geht es auch um Autosuggestion: Man müsse stolz sein auf die Stadt, um andere von ihr zu überzeugen.

Das reichte, um im ersten Wahlgang die CDU-Bewerberin auf 17 und den SPD-Kandidaten auf unter fünf Prozent zu stutzen. Nur der LINKE-Landtagspolitiker Torsten Koplin erwies sich mit 27 Prozent als Konkurrenz.

Nun kommt es zur Stichwahl, bei der es um Persönlichkeit gehen wird, um das Prinzip »Partei« - und etwa um die überlastete Schwimmhalle: Koplin würde den Bau einer modernen Anlage städtisch angehen, Witt auf Private setzen. Oben auf Koplins Agenda steht auch die Neugestaltung des Marktplatzes. Dort wollen Investoren einen Komplex errichten, den viele ablehnen; für Koplin wäre das »Chefsache«. In diesem Sinne will er jetzt auch Bürger mobilisieren, die dem ersten Durchgang fernblieben.

Unabhängig vom Ergebnis wird Witt als Kabarettist nicht ganz aufhören. Etwa ein oder zweimal im Jahr humorig durch die Stadt zu führen, sagt er, könne er sich auch als Bürgermeister vorstellen.

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