Das Weiter-So funktioniert nicht mehr

Die vier deutschen Energieriesen müssen sich im Zeitalter des Atomausstiegs neu orientieren - schlagen aber unterschiedliche Wege ein

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
E.on, RWE, Vattenfall und EnBW leiden unter Energiewende und Atomausstieg. Die Gegenstrategien: Klagen, Lobbyismus, Sparprogramme - und der Umbau zu eines etwas grüneren Strommix.

Den vier großen Stromkonzernen in Deutschland ist gemein, dass sie auf juristischem Wege und durch Lobbyismus von der Energiewende profitieren wollen. Über ein Dutzend Klagen strengten sie gegen den Atomausstieg an. 15 Milliarden Euro Entschädigung wollen die vier Konzerne kassieren.

Doch E.on, RWE und Co. haben auch politische Forderungen: Sie wollen Kapazitätsmärkte etabliert sehen und sich dafür belohnen lassen, dass sie eigentlich unrentable konventionelle Kraftwerke für Stromengpässe in Bereitschaft halten. Mehreinnahmen von bis zu sechs Milliarden Euro pro Jahr erhoffen sie sich davon. Doch bisher scheitert ihr Lobbyverband BDEW - Kanzlerin Angela Merkel und ihr Vize Sigmar Gabriel sind dagegen und berufen sich dabei auf wissenschaftliche Expertisen.

Gleichzeitig legen alle vier Konzerne Kostensenkungsprogramme auf und haben einen Konzernumbau gestartet, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. So will E.on sein konventionelles Geschäft mit Atom, Kohle und Gas abspalten und sich fortan vor allem auf die Bereiche erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen konzentrieren. 2016 sollen Anteile an dem nunmehr unerwünschten konventionellen Konzernteil via Börse veräußert werden. E.on belastet ein Schuldenberg von über 30 Milliarden Euro.

Konkurrent Vattenfall Europe nahm in diesen Tagen mit drei Jahren Verspätung sein Steinkohlekraftwerk Moorburg in Hamburg in Betrieb. Drei Milliarden Euro betrugen die Baukosten, Moorburg wird wohl nie wirtschaftlich betrieben werden können, bereits vorab wurden 460 Millionen Euro Verluste abgeschrieben. Die Deutschlandtochter des schwedischen Staatskonzerns hat angekündigt, ihre Braunkohlesparte veräußern zu wollen. »Der Verkaufsprospekt wird im Frühjahr fertig gestellt sein«, sagt Pressesprecher Stefan Müller. So setze Vattenfall den Weg in eine kohlendioxid-ärmere Stromproduktion fort. Atomstromfrei ist Vattenfall schon seit 2007 - damals wurden die AKW Krümmel und Brunsbüttel still gelegt, wenngleich nicht freiwillig: Auf der Webseite ist zu lesen, die Kernkraftanlagen in Deutschland seien »aufgrund politischer Entscheidungen vom Netz genommen werden«. Man halte sich den »den weiteren Ausbau der Kernenergie offen«.

RWE wiederum soll 2012 eine Aufspaltung des Konzerns verworfen haben. Die Essener setzen stattdessen vor allem auf Stellenabbau und Einsparungen. So wurde die Hälfte der Jobs im Geschäftsfeld erneuerbare Energien gestrichen, obwohl RWE den niedrigsten grünen Anteil am Strommix aufweist. Die Öl- und Gastochter DEA wurde in diesen Tagen an den russischen Investor Michail Fridman veräußert. Dies soll helfen, den Schuldenberg von 30 Milliarden Euro zu reduzieren. 2013 wies RWE einen Verlust von drei Milliarden Euro aus, unter anderem wegen Wertberichtigungen für konventionelle Kraftwerke. RWE ist weiterhin stark engagiert im Braunkohlegeschäft, insbesondere im Rheinischen Revier.

Auch bei EnBW sieht man sich vor einem »radikalen Umbau« - die Baden-Württemberger wollen aber anders als E.on ein integrierter Konzern bleiben, also sämtliche Schritte des Stromgeschäfts abdecken. Mitte 2013 bekannte man sich »ohne Wenn und Aber« zur Energiewende. Bis 2020 soll der Anteil der Erneuerbaren am hauseigenen Strommix auf 40 Prozent verdoppelt werden. Zum Vergleich: RWE strebt für 2020 nur 20 Prozent an.

Die dem Land Baden-Württemberg und zahlreichen Kommunen gehörende EnBW ist weiterhin Atomstromer Nummer eins in Deutschland, hat sich aber damit abgefunden, dass 2020 sein letztes AKW vom Netz geht. Der Konzern vermarktet Elektrizität aus uralten Wasserkraftwerken als »NaturEnergiePlus«. Kritiker sprechen angesichts dessen von »Greenwashing«. Allerdings setzt EnBW auch auf den Bau von Windparks. Mehrere unprofitable Steinkohlekraftwerke meldete man seit 2013 bei der Bundesnetzagentur zur Abschaltung an. Sie wurden jedoch als systemrelevant eingestuft - und laufen weiter.

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