Mit Charakter

Skulpturen der in Berlin lebenden Künstlerin und Architektin Katharina Gerold in der Galerie gräfe art.concept

  • Marion Pietrzok
  • Lesedauer: 3 Min.

Was für Menschen sind das, was geht in ihnen vor, was haben sie erlebt, fragt man sich beim Anblick der Gesichter, die so schmal sind, dass die Köpfe, aus Ton geformt und gebrannt, kaum mehr als das Gefüge jeweils des rechten und linken Profils sind. Ihre markanten Züge, scharf modelliert, weisen sie als starke Charaktere aus. Einen starken Auftritt haben sie in der Galerie gräfe art.concept in der Käthe-Kollwitz-Straße.

Die Skulpturen hat die in Berlin lebende Künstlerin und Architektin Katharina Gerold geschaffen, Porträts von enormer Ausdruckskraft, die sich am Besten figürlicher Bildhauerei messen lassen. Wundersam herb. Menschen mit Ecken und Kanten. Die Art und Weise allerdings, wie sie dem Betrachter entgegentreten, ist einzigartig: als Reliefs von Köpfen, die beide Profile zugleich zeigen. An der Wand angebracht ragen sie wie Platten in den Raum, harte Schatten werfend. Oder stehen als mehrfigurige Gruppe auf abstrakt-baumartigen, hochgereckten Stelen.

Die Festigkeit des Materials, des ehemals geschmeidigen Tons, der - gleichsam als die dem Menschen vom Leben auferlegten Prüfungen - mit hoher Temperatur gebrannt wurde, steht in nichts der Bronze nach, die für einige andere der ausgestellten Arbeiten verwendet wurde. Hier fächern sich die Profilscheiben aus quadratischen Reliefflächen heraus, die wiederum tiefe Räume imaginieren, in die man über Treppen hinein steigt oder deren Ferne durch diffuses Licht erahnbar wird. Geheimnisvollen Theaterprospekten gleich diese Szenerien.

Die Bronzen sind unterschiedlich patiniert, Düsternis lastet, Alltagsgrau hat alle Helle vertrieben. Aber der Bildausdruck insgesamt vermittelt Kostbarkeit. In gedämpften Farben gehalten auch die Porträts aus Ton, mal ist der Mund naturalistisch rot hervorgehoben, mal sind die Augen betont, blau vielleicht. Nirgendwo Glätte, an der der Blick des Betrachters abrutschen würde, sondern feine Binnenstrukturen, Risse, Kanten, Brüche wie aus dem Fels geschlagenem Stein sie eigen sind.

Das ist das Eigentümliche: Diese Menschen, als die wir die Köpfe nehmen, bleiben würdevoll bei sich, sind konzentriert auf ihr Sein, streben den Kontakt mit dem Betrachter nicht an - der jedoch sucht zu verstehen, was sie nachdenklich macht, warum sie in gefasster Trauer stehen, welchen Grund es für ihre Strenge gibt. Obwohl sie nicht abweisend sind, begegnet man ihnen doch mit Respekt, sodass man sie nicht neugierig und dabei möglicherweise auf irrige Deutungen kommend ausforscht, sondern ihr stolzes Da-Sein annimmt. Und das eigene Leben überdenkt.

Katharina Gerold, in Gera geboren, hat in Dresden und am Bauhaus Dessau studiert, arbeitete als Architektin in Amsterdam und später in Berlin, begann zuvor in Paris als freischaffende Künstlerin und seit 1993 wurden ihre Arbeiten - Plastik, Grafik, Malerei - im In- und Ausland ausgestellt. Die Galeristin Dr. Hildegard Gräfe kann mit der Ausstellung dieser eindrucksvollen Werke, die außerdem Tonarbeiten umfasst, die wie archaische Fundstücke auch Florales und Fossiles assoziieren, eine Premiere feiern: Sie bezog mit den Räumen auf zwei Etagen in der Nummer 72 der Käthe-Kollwitz-Straße endlich eine eigene Galerie. Welchen Künstler auch immer sie fürs interessierte Publikum entdeckt hat und - wie jetzt mit der exzellenten Präsentation - neu vorstellt: Sehenswert, von hohem ästhetischen Reiz und inhaltlichem Anspruch.

Katharina Gerold. was bleibt. Bis 4.4., Mo-Fr 16-19, Sa 11-16 Uhr bei gräfe art.concept, Käthe-Kollwitz-Straße 72, 10435 Berlin. www..graefe-art.de

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