Aufsichtsräte werden weiblicher

SPD und Union beschließen eine Frauenquote für Großunternehmen, LINKE und Grüne enthalten sich

Zwei Tage vor dem Frauentag wirkt das Gesetz wie ein Geschenk, dabei ist es ein hart erkämpfter Fortschritt, der ausdauernden Quotenbefürworterinnen zu verdanken ist.

Erst sollte es gar keine geben, dann eine freiwillige, nun doch eine gesetzliche: Es wurde lange gestritten über die gerade 180 Frauen, die von der nun beschlossenen verbindlichen Quote für Aufsichtsräte in börsennotierten Großkonzernen profitieren sollen. Ab 2016 müssen in den Kontrollgremien von Adidas und Volkswagen, Bayer oder Jenoptik 30 Prozent Frauen am Tisch sitzen. Erfüllt ein Konzern die Vorgabe nicht, bleibt der Stuhl zur Strafe unbesetzt.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) feierte den Beschluss als »historischen Schritt für die Gleichberechtigung«, auch wenn ihre Partei ursprünglich 40 Prozent vorschreiben wollte. Bundesjustizminister Heiko Maas stellte die Entscheidung sogar in eine Reihe mit der Einführung des Frauenwahlrechts: »Nach der politischen Macht bekommen Frauen endlich einen fairen Anteil an der wirtschaftlichen Macht.« Es geht um 108 Großunternehmen.

Weit weniger Konsequenz wird von allen anderen Privatunternehmen in Deutschland erwartet. So können sich 3500 weitere börsennotierte oder mitbestimmungspflichtige Firmen selbst Ziele setzen, wie sie den Frauenanteil in Führungspositionen erhöhen wollen, und müssen regelmäßig über ihre Fortschritte berichten. Anders als bei den Großunternehmen gilt das nicht nur für Aufsichtsräte, sondern auch für Vorstände und die Managementebene. Wenn sie ihre selbst gesteckten Ziele nicht einhalten, passiert allerdings auch nichts.

Der Staat könnte hier, bei öffentlichen Unternehmen nämlich, mit gutem Beispiel vorangehen. Die Koalition verzichtet jedoch auf die Vorreiterrolle und senkt vielmehr mit dem Beschluss die bisherige 50-Prozent-Vorgabe für diese auf 30 Prozent; ab 2018 soll sie wieder auf 45 Prozent angehoben werden.

LINKE und Grüne enthielten sich bei der Abstimmung. Sie hatten eine 50- bzw. 40-Prozent-Quote gefordert und bezeichnen die nun beschlossene Variante lieber als »Frauenquötchen« oder »Quote light«.

Der Bundestagsbeschluss setzt einen vorläufigen Schlusspunkt unter eine lange währende Grundsatzdebatte, in der längst nicht nur strittig war, was das richtige Mittel zur Gleichstellung von Frauen ist, sondern in der Hartgesottene gänzlich in Abrede stellten, dass die Unterrepräsentanz von Frauen Folge struktureller Diskriminierung ist. Nach Angaben der »Initiative Frauen in die Aufsichtsräte« beträgt der Frauenanteil in Aufsichtsräten aktuell 18,9 Prozent. Von den Vorständen sind nur 5,8 Prozent weiblich.

Überdeckt von der lauten Debatte um die Privatwirtschaft änderte die Koalition zugleich Vorgaben für die Besetzung von Bundesgremien und im Gleichstellungsgesetz, die Quotenbefürworter als Verschlechterungen ansehen. Demnach sollen Männer in Bereichen gefördert werden, in denen sie »aufgrund struktureller Diskriminierung« unterrepräsentiert sind. Aus Sicht der LINKEN besteht das Problem in Kindergärten oder Grundschulen jedoch nicht darin, dass Männer bei der Einstellung diskriminiert werden. Grund sei vielmehr, dass diese Berufe für Männer zu wenig attraktiv sind. Eingeführt werden müsste daher nicht die Quote, sondern bessere Bezahlung.

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