nd-aktuell.de / 11.03.2015 / Kultur / Seite 42

Islamophobie

Inva Kuhn über antimuslimischen Rassismus

Niels Seibert

Von der extremen Rechten bis in die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft reicht das Spektrum, aus dem in den vergangenen Jahren Rassismus gegen Menschen arabischer und türkischer Herkunft geschürt wurde - mit medialer Unterstützung. Damit wurden ideologische Grundlagen für Bewegungen wie Pegida geschaffen, wie die Autorin der Einführung »Antimuslimischer Rassismus« veranschaulicht.


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* Inva Kuhn: Antimuslimischer Rassismus. Auf Kreuzzug für das Abendland.[1]
PapyRossa. 110 S., br., 11,90 €.


Die Politikwissenschaftlerin Inva Kuhn verweist auf die bundesdeutsche Asyl- und Migrationspolitik seit den 1990er Jahren. Sie erinnert an rassistische Diskurse, die Politiker etablierter Parteien mit Sprüchen wie »Kinder statt Inder« angestoßen haben, und an die Hetze Thilo Sarrazins, dem prominentesten Vertreter antimuslimischer Thesen.

In dem im Jahr 2000 veröffentlichten »Deutschen Tagebuch« des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf beschreibt dieser einen angeblichen Traum über Ängste vor Menschen mit weißen Gewändern und Turbanen. Dies passe zum politischen Klima in Sachsen, das nach Ansicht der Autorin die Kultur des Bundeslandes bis heute prägt: »Dies beinhaltet seit dem Ende der DDR die Delegitimierung des Antifaschismus und die Kriminalisierung von Engagement gegen Neonazis. Die Verbindung zwischen der Negation rassistischer Zustände und dem staatspolitischen Programm der Extremismustheorie haben in Sachsen über Jahre einen rassistischen und antimuslimischen Nährboden geschaffen.«

Pegida ist ein Ausdruck des antimuslimischen Rassismus. Dieser Begriff erweitert »Islamophobie« und »Islamfeindschaft«, um auf Parallelen zu klassischen Rassismen zu verweisen und Muslime ausdrücklich als Opfer des Phänomens zu benennen. Diese Spielart des Rassismus richtet sich insbesondere gegen Menschen mit arabischen oder türkischen familiären Hintergründen. Es geht dabei aber nicht nur um Abwertung von Menschen, die als Muslime markiert werden, sondern auch um die Wahrung eigener Privilegien.

So sieht die Autorin klare Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Rassismus und Austeritätspolitik: Der Abbau sozialer Rechte werde kanalisiert, indem aus der bürgerlichen Mitte Rassismus geschürt wird. Und andererseits bedeutet die autoritäre Krisenregulierung einen gravierenden Eingriff in das Leben derjenigen, die nicht zu den Krisengewinnern gehören. Migranten sind davon in verschärfter Weise betroffen: von Arbeitslosigkeit und drohender Abschiebung.

Die Frage nach erfolgreichen antirassistischen Gegenstrategien beantwortet das letzte Kapitel des Buchs.

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