»La Traviata« im Vorabend-Format

An der Deutschen Oper Berlin inszenierte Startenor Rolando Villazón Puccinis lyrische Komödie »La Rondine«

  • Irene Constantin
  • Lesedauer: 4 Min.

Magda sieht sich als »Frau mit Vergangenheit« außerstande, Ruggero, den Jüngling aus unbescholtenem Hause, zu ehelichen. Ihr Kammerkätzchen Lisette fühlt sich nach dem Versuch, Bühnenkünstlerin zu werden, erst wieder wohl, als sie erneut ihr weißes Schürzchen umhat.

Nur soviel zum Zusammenhang zwischen der Handlung von »La Rondine«, der »Schwalbe«, und dem Premierendatum 8. März. Die gute alte Moped-Legende gleichen Namens hat vermutlich mehr zur Gleichberechtigung der Geschlechter beigetragen.

Eigentlich sollte »La Rondine« eine Operette werden, womöglich eine tragische wie sie später Freund Franz Lehár komponieren sollte, aber nach zwei komponierten Nummern merkte Giacomo Puccini, dass er mit dem Genre absolut nichts anfangen konnte. Also wurde »La Rondine« eine »Lyrische Komödie in drei Akten«. Die Handlung ist so etwas wie »La Traviata« im Vorabend-Format. Die Dame Magda, wohlversorgt von Rambaldo, gibt eine kleine Soirée und man träumt dabei ein wenig von frischer Liebesunschuld. Wie es der Zufall will, kommt der junge Ruggero des Wegs. Im zweiten Akt findet sich die ganze Gesellschaft in einem Ballhaus zweifelhaften Charakters ein. Magda im unschuldigen Kleidchen mit bravem Krägelchen, ihre Zofe Lisette in der Garderobe der Gnädigen, was aber keine weiteren sichtbaren Auswirkungen hat. Im dritten Akt langweilt sich Magda in der Einsamkeit der Riviera, wo sie mit Ruggero eine Art Liebesnest bewohnt. Er will sie heiraten und schwärmt ihr von seinem kleinen Haus mit Gemüsegarten vor. Als dann auch noch der Einwilligungsbrief von seiner Mama kommt, in dem diese androht, als Schutzengel über der reinen und frommen Mutter seiner Kinder zu schweben, zieht Magda die Notbremse.

Warum man sich diesem Schmarrn der Librettisten Giuseppe Adami, Alfred Maria Willner und Heinz Reichert trotzdem mit Lust hingeben sollte, liegt erstens in Puccinis Genie und zweitens in einer offenbaren Sternstunde der Sänger und Musiker in der Deutschen Oper begründet - möge sie andauern.

Von so unglaublicher Vielfalt der Stile und Farben, streckenweise modern, temperamentvoll, sogar ein bisschen schräg und hauchzart angejazzt, so himmelhoch aufjauchzend und sentimental überwältigend, so lyrisch verträumt findet man kaum ein anderes Puccini-Werk. Charme, Witz und Schmalz in fein ausgewogenen Verhältnissen. Dirigent Robert Rizzi Brignoli war genau der richtige Mann für diese Musik. Er verstand es, dieses über die Maßen harmlose Stück so unverkrampft selig aufrauschen zu lassen, als wolle er alle Himmel stürmen. Oder, wenn es passte, ziselierte er auch ein ganz besonders hübsches Schmuckstück.

Ein Regisseur wie Rolando Villazón weiß, was Sänger mögen. Sie dankten es ihm und vergoldeten allesamt ihre Figuren. Als Magda war die Rumänin Aurelia Florian für die erkrankte Dinara Alieva eingesprungen und verzauberte von Anfang an. Lyrische Süße, wunderschön geschwungene Bögen, lang gesponnene Kantilenen wurden noch überglänzt von einer Pianissimo-Kunst, wie man sie wahrlich selten zu hören bekommt. Charles Castronovo als Ruggero gab den Richard Tauber in dieser verhinderten Operette: Tenor, Tenor und nochmals Tenor. Das Buffopärchen Lisette und Prunier, immerhin ein Poet, war mit Alexandra Hutton und Àlvaro Zambrano, beide jung, beide beweglich und agil, beide mit wohllautenden Stimmen begabt, ebenfalls ideal besetzt. Dazu befand sich der Chor der Deutschen Oper in Bestform - Ohr, was willst du mehr?

Dass dieses weltvergessene Stück während des Ersten Weltkrieges komponiert wurde, 1917 in Monte Carlo uraufgeführt, ist nicht in einem Wimpernschlag präsent und Rolando Villazón hat es ihm dankenswerterweise auch nicht aufgezwungen. Dafür erfand er drei männliche Figuren, gesichtslose Gestalten, die immer um Magda sind. Leibgarde? Schutzengel?, Lemuren schlechten Gewissens? Am Ende, als Magda auch ihrem Ruggero eine Maske aufsetzt und ihn in eine vierte stumme Gestalt verwandelt, um mit verhauchendem Ton schwalbenartig in einem Wolkentor zu verschwinden, weiß man es. Der ohnehin eigenartig künstliche Deko-Riviera-Strand, den Johannes Leiacker dem Pärchen gebaut hatte, ist ein Zaubergarten der abgelegten Liebhaber.

Zum Lohn für ihre Treue durften sie sich als erste verbeugen, als der Jubel losbrandete und alle überschüttete.

Nächste Aufführungen: 12., 14., 18.3.

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