SYRIZA beharrt auf Reparationen

Parlamentsausschuss soll Forderungen Griechenlands für NS-Besatzung prüfen

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf 300 Milliarden Euro könnten sich die Forderungen Griechenlands an Deutschland aus dem Zweiten Weltkrieg belaufen. Noch ist das aber Spekulation.

Es ist eines der wenigen Themen, die in Hellas genauso starke Emotionen hervorrufen wie die Verhandlungen mit den Gläubigern über das laufende Kreditprogramm. Es geht ums Geld. Auch deshalb ruft die griechische Regierung die Frage deutscher Reparationen für Verbrechen im Zweiten Weltkrieg jetzt wieder auf die Tagesordnung.

So beschloss das Parlament in Athen am Dienstagabend eine Initiative zur Neuformierung und Aufwertung des Parlamentarischen Ausschusses, der die Forderungen Griechenlands aus der Zeit der Nazibesatzung prüfen soll. Ein entsprechender Antrag der Regierungspartei SYRIZA wurde einstimmig von allen Parteien angenommen.

Die Frage der Sühne der von den Nationalsozialisten in Griechenland begangenen Verbrechen ist auch 70 Jahre danach aus griechischer Sicht nicht abschließend geklärt. Nach bundesdeutscher Auffassung ist Griechenland mit dem Abschluss des Vertrags über die deutsche Wiedervereinigung von Reparationsansprüchen zurückgetreten. In Athen argumentiert man jedoch, das Land habe den sogenannten Zwei-plus-Vier-Vertrag nur zur Kenntnis genommen.

Alle bisherigen Vorstöße, beispielsweise der Opfer von Nazimassakern, sind entweder am politischen Nein der Bundesregierung oder vor Gericht gescheitert. In einem Fall hatte hierbei sogar eine griechische Regierung Amtshilfe geleistet: Ein im Jahr 2000 vor dem Obersten Gerichtshof in Athen erwirkter Pfändungsbeschluss zugunsten der Nachkommen des Nazimassakers in Distomo (10. Juni 1944) war vom damaligen griechischen Justizminister Michalis Stathopoulos kassiert worden.

Sein Nachfolger behält sich vor, diese Entscheidung rückgängig zu machen. Er warte auf den geeigneten Zeitpunkt und werde den Stand der nationalen und politischen Belange berücksichtigen, sagte Nikos Paraskevopoulos am Mittwochmorgen im griechischen Fernsehen.

Den Opfern von Distomo hatte das Gericht eine Entschädigung in Höhe von 29 Millionen Euro zugesprochen. Insgesamt geht es bei den Entschädigungen und der Rückzahlung eines Griechenland abgepressten Zwangsdarlehens jedoch um sehr viel mehr Geld. Eine bereits von der Vorgängerregierung unter Antonis Samaras in Auftrag gegebene Studie wird zwar auch von der SYRIZA-ANEL-Regierung noch unter Verschluss gehalten. Durchgesickerten Informationen der Tageszeitung »To Vima« zufolge belaufen sich die Gesamtforderungen jedoch auf um die 300 Milliarden Euro - eine Summe, die geeignet wäre, das griechische Schuldenproblem auf einen Schlag zu lösen.

Genau vor dieser Verknüpfung warnte der Vorsitzende der ehemaligen Regierungspartei PASOK. Wenn die Regierung das Thema »der historischen Gerechtigkeit und Wahrheit genauso angeht wie die dringende Frage der nationalen Strategie für einen Ausweg aus der Krise, dann führt uns dies in eine Sackgasse«, mahnte Evangelos Venizelos in der Parlamentsdebatte.

Ministerpräsident Tsipras dagegen zog in seiner Rede mehr als einmal historische Parallelen zwischen Griechenland und Deutschland. So war der BRD bei der Konferenz der Siegermächte 1953 nicht nur ein großer Teil der noch aus dem Ersten Weltkrieg stammenden Kriegsschulden erlassen worden. Dem Land sei auch großzügige Hilfe beim Wiederaufbau zuteil geworden. Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten habe dann die »notwendigen rechtlichen und politischen Voraussetzungen für eine Lösung der Reparationsfrage geschaffen«, so der Premier. »Seitdem aber haben die deutschen Regierungen zu Schweigen, juristischen Kunstgriffen, Ausweichmanövern und Aufschüben gegriffen.«

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