nd-aktuell.de / 14.03.2015 / Politik / Seite 15

Kabarettist gegen LINKEN

Neubrandenburg wählt einen neuen Rathauschef

Winfried Wagner, 
Neubrandenburg

Die Stadt Neubrandenburg könnte nach Rostock als zweite Stadt in Mecklenburg-Vorpommern bald einen parteilosen Oberbürgermeister erhalten. An diesem Sonntag sind rund 54 000 Wahlberechtigte zur Stichwahl aufgerufen, sagte Wahlleiter Peter Modemann in Neubrandenburg. Sie entscheiden, ob der Einzelbewerber und Kabarettist Silvio Witt oder der LINKE-Landtagsabgeordnete Torsten Koplin bis 2022 die Verwaltung der drittgrößten Stadt im Nordosten leitet. Obwohl der parteilose Witt im ersten Wahlgang mit 43 Prozent rund 16 Prozentpunkte vor Koplin als Zweitem lag, erwarten Beobachter durchaus einen spannenden Wahlabend.

Größter Verlierer beim ersten Wahlgang war die Neubrandenburger CDU. Sie stellte 14 Jahre mit Ex-Bundesforschungsminister Paul Krüger das Stadtoberhaupt. Er scheidet aus Altersgründen aus. »Offensichtlich ist, das viele Wählerinnen und Wähler einen Wechsel sowohl weg von der CDU als auch weg von den Parteien insgesamt wollten und für einen Neuanfang mit unverbrauchtem Personal in Neubrandenburg gestimmt haben«, sagte CDU-Ortschef Frank Benischke nach der Wahl. Die CDU-Kandidatin Diana Kuhk kam als einzige Frau von sechs Bewerbern nur auf 16 Prozent. »Wir geben jetzt aber keine Wahlempfehlung zur Stichwahl«, erklärt Benischke.

Beide Kandidaten sind sehr unterschiedlich. Witt ist studierter Betriebswirt, 36 Jahre alt, mit einer Kommunikationsagentur selbstständig und bekennender Homosexueller mit Partner. Koplin ist 52 Jahre alt und hat Schlosser gelernt. Er sitzt seit 1998 für die LINKE im Schweriner Landtag und ist Vater zweier erwachsener Kinder. Beide Bewerber nennen die Millionenschulden der mit 65 000 Einwohnern drittgrößten Stadt im Nordosten als Hauptproblem und wollen parteiübergreifend agieren. In der Stadtvertretung hat keine Partei eine Mehrheit.

Wenn die CDU-Analyse stimmt, könnte sich Witt also zurücklehnen. »Das Rennen ist aber noch nicht entschieden«, sagt er. Sein Programm: Gewerbesteuern senken und lange schmorende Bauprojekte endlich anschieben. »Ob man mich dann auch OB nennt, ist mir egal«, sagt der Neubrandenburger.

Koplin, dem CDU-Anhänger immer wieder seine kurze Stasi-Mitarbeit vor 1990 anlasten, wirbt mit »einer neuen Kultur des Miteinander«. Der kulturpolitische Sprecher seiner Fraktion will vor allem Kultur- und Sportvereinen und -verbänden Sicherheiten geben und langfristig eine neue Schwimmhalle bauen. Sollte er die Wahl gewinnen, würde Koplin sein Landtagsmandat abgeben. »Ich würde mir auch eine Wohnung in Neubrandenburg nehmen«, erklärt der Berufspolitiker, der ein Haus in Alt Rehse bewohnt und seine Chancen selbst als »übersichtlich« einschätzt.

»Ich will vor allem die Leute mitnehmen«, erklärt Witt. Ohne direkte Parteianhänger im Stadtparlament zu sein, sei kein Nachteil: Etwa ein Viertel aller Städte in Deutschland würden von Parteilosen regiert. Er sei beim ersten Wahlgang absolut überrascht gewesen. »Und ich werde es auch akzeptieren, wenn es nicht klappt.« dpa/nd