Herr Schmidt macht Winter für den Zander

In einer Versuchshalle in Mecklenburg-Vorpommern wird künstliche Fischzucht betrieben

  • Ralph Schipke
  • Lesedauer: 4 Min.
Angesichts überfischter Meere und Seen haben Wissenschaftler in einer Pilotanlage an der Müritz damit begonnen, Fische in Hallen zu züchten. Erste Versuche mit dem Zander sind Erfolg versprechend.

Wetter machen können sie in dieser Halle auch. Der Zander braucht den Winter und den Jahreslauf wie draußen vor der Tür, den Tag-Nacht-Rhythmus und vor allem - sauberes Wasser. Zander sind Sensibelchen: »Die Fische spüren, wenn ein Hochdruckgebiet durchzieht«, erzählt Gregor Schmidt über seine Beobachtungen bei der Aquakulturforschung in der »Warmwasser - Pilotanlage« in Hohen Wangelin - im Südwesten des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte, nahe der Autobahn A 19 von Berlin nach Rostock.

Auf einem Teil des Geländes des früheren Rindermastbetriebes und der heutigen Müritz Fleischproduktionsgesellschaft hat sich das Landesinstitut für Fischerei Mecklenburg-Vorpommern eingemietet. Hier soll ausprobiert werden, ob sich der Zander überhaupt in einer technischen Anlage, einer sogenannten Kreislaufanlage, vermehren und heranziehen lässt.

Fische sind ja bekanntlich stumm. Der Fischereiwissenschaftler ist zum Glück recht auskunftsfreudig. So verrät er dem Besucher , dass das auf einige Jahre ausgelegte wissenschaftliches Experiment der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei ein sogenanntes Drittmittelprojekt ist, das von der Europäischen Union und vom Land gefördert wird.

Wenn alles gelingt, könnte der Edelfisch-Verzehr demnächst wieder umweltpolitisch korrekt werden. »Wir schonen durch unsere Arbeit die Wildbestände des Zanders«, argumentiert der Wissenschaftler. Ist eines Tages die Erprobung der Aquakultur erfolgreich abgeschlossen, werde sich der Zander vielleicht tonnenweise in ähnlichen Hallen in bis zu sechs Durchgängen pro Jahr heranziehen lassen. Mehrfach können für die etwa 300 Elternfische in den drei Kühlzellen in einer Hallenecke computergesteuert Winter simuliert werden. Nur so würden die empfindlichen Tiere schließlich zum Laichen bewegt. Ganz, wie es draußen in der Natur durch die Jahreszeiten reguliert wird. In der grauen Halle wird der Zander vom Ei bis zum fertigen Speisefisch mit 1,5 bis zwei Kilo aufgezogen. Das dauert pro Tier 24 Monate.

Niemand müsste in Zukunft mehr schockgefrosteten, labbrigen Pangasius aus Fernost oder untermassige Zander - »die sich nicht reproduzieren konnten« - aus Russland oder Kasachstan beim Discounter kaufen, prophezeit der Fischwissenschaftler. Theoretisch zumindest. Denn noch handelt es sich um ein Versuchsprojekt.

Ziel ist es, den edlen Speisefisch unter optimalen, kontrollierten Bedingungen aufzuziehen. Ohne die Einflüsse von Wind, Wetter oder den sonst üblichen Schwankungen in jedem Ökosystem der Welt. Durch die Wiederaufbereitung des Wassers in großen Filtersystemen ist dieses Verfahren zudem ressourcenschonend.

Inzwischen können bereits aus der Pilotanlage in Hohen Wangelin einheimische Fischer mit jungen Besatzfischen versorgt werden. Draußen in den biologischen Klärteichen, so argumentiert Schmidt weiter, werde das Wasser nach seinem Kreislauf nicht nur sauberer in die Natur zurückgegeben werden, als es in die Becken der Anlage gepumpt werde. Auch könne auf den Einsatz von Medikamenten verzichtet werden, da bei diesem Produktionsverfahren die Fische geschützt vor Krankheiten aufwachsen.

Zusätzlich werden in den Bio-Klärteichen Edelkrebse gezogen. Die waren einst typisch in mecklenburgischen Gewässern. »Bis eine schlimme und hundertprozentig tödliche Tierseuche diese Tierart fast vollständig ausrottete«, erzählt der Wissenschaftler. Der Mensch hatte mit Tiertransporten aus Nordamerika die sogenannte Krebspest eingeschleppt und einen wertvollen Teil des norddeutschen Speisezettels gestrichen.

Auf die Kritik, dass in der Anlage noch immer Fischmehl und -öl verfüttert wird, entgegnet Schmidt gelassen: Zwar sei man bestrebt, diesen Futteranteil zu reduzieren. »Ganz ohne geht es aber noch nicht. Woher soll sonst das Omega-3-Fett kommen, dass Fisch zu einem besonders gesunden Nahrungsmittel macht?«, stellt er als Frage in den Raum. Man sei bestrebt, alternative Omega-3 Quellen zu erforschen. Bisher gäbe es die aber nur in viel zu geringen Mengen. Aus terrestrischen Pflanzen könne man die noch nicht ausreichend gewinnen, erklärt der Wissenschaftler.

Im Geschmacksvergleich scheide der Aqua-Zander jedenfalls bis jetzt mindestens so gut ab, wie der Wildfisch, meint der Forscher. Mit mehr Fettanteil sei die Qualität ganzjährig gleich. Die wilden Fischbrüder hingegen hätten im Frühjahr kaum Fett und schmeckten daher trocken, gibt er zu bedenken. Im Herbst könne der feine Fisch aus der freien Natur auch schon mal modrig schmecken, sagt Schmidt. Das dürfte jeder Angler bestätigen, dem zu diesem Jahreszeiten schon einmal ein Zander an den Haken ging.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal