Streit um den Lehrerstreik

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Die derzeitigen Tarifauseinandersetzungen des öffentlichen Dienstes tragen verstärkt die angestellten Lehrer. Laut gew.de gingen in der ersten Streikwoche mehr als 15 000 auf die Straße, um ihrer Forderung nach 5,5 Prozent Lohnerhöhung Nachdruck zu verleihen. Erstmalig sind auch Thüringens Lehrer dabei. Am vergangenen Mittwoch weitete die GEW die Warnstreiks noch einmal aus.

In den Medien fand der Streik ein breites Echo. Einige, darunter sueddeutsche.de und ard.de betrieben Aufklärung und schilderten ihren Lesern, wann und wo gestreikt wurde. welt.de zeigte sich auf ihre Weise solidarisch, denn »aus feudalen Beamtenfesseln erlöste, selbstbewusste Lehrer sind ein Fortschritt«. So sei der Streik Ausdruck einer »modernen Wissensgesellschaft« und der »Preis der Nicht-mehr-Verbeamtung der Lehrerschaft«. Dieser sollte »lächelnd entrichtet« werden.

Sieht man von der etwas schiefen Metaphorik ab, überrascht der Beistand des konservativen Blattes keineswegs. In den letzten Jahren hat sich ein Wechsel von einer verbeamteten Lehrerschaft zu einer angestellten vollzogen. Den 600 000 verbeamteten Lehrern stehen mittlerweile 200 000 angestellte gegenüber. Für welt.de eine gute Entwicklung, denn Beamte seien »auf Lebenszeit angestellt« und damit »praktisch auch bei erwiesener Unfähigkeit unkündbar, beihilfe- und pensionsberechtigt«.

Ob dem so ist, sei dahingestellt. Eine Grafik der GEW zeigt eher ein Nord-Ost-/Süd-West-Gefälle. Demnach sind in Mecklenburg-Vorpommern knapp 100 Prozent der Lehrer angestellt beschäftigt, hingegen in Baden-Württemberg nur rund 10 Prozent.

Auf spiegel.de konnte der angestellte Lehrer Tom Erdmann sein Einkommen darlegen. Als kinderloser und unverheirateter Mann verdiene er 2700 Euro netto im Monat. Ihm blieben nach Abzug aller Fixkosten 700 Euro frei verfügbar. So gesehen sei er zwar ein »Gutverdiener«, streike aber für einen Lohn, der in einem angemessenen Verhältnis zu dem seiner verbeamteten Kollegen stehe.

Für Erdmanns Kollegin aus Mecklenburg-Vorpommern ist der Streik der Lehrer dagegen ein »Jammern auf hohem Niveau«. Sie wisse, dass die Beamten um die 500 Euro mehr verdienten, käme aber »gut längs« und genieße es, sich nicht »vor dem Amtsarzt rechtfertigen, vor Zeitungsinterviews um Erlaubnis bitten oder darauf hoffen zu müssen, ob ein Schulwechsel gestattet wird oder nicht«.

Diese Meinung teilen nicht wenig User. Ihnen antwortet dreadi99: »Schade, dass viele so schlecht reden. Es stimmt, der Beruf der Alten- oder Krankenpflege wird in Deutschland einfach schlecht bezahlt. Ohne Frage. Aber warum wird dann der Lehrer hier angemacht? Gehen Sie auch streiken! Wir leben im 21. Jahrhundert und alles kostet sehr viel Geld, ergo muss man mehr verdienen.«

Und syracusa meint: »Unabhängig von der Sinnfrage einer Verbeamtung müssen Angestellte mehr verdienen als Beamte. Denn, obwohl ihnen prinzipiell gleich viel zu steht, brauchen sie eine geldwerte Kompensation für den unsichereren Arbeitsplatz.« Lena Tietgen

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