Energie aus dem Todessee

Methan vom Boden des Kivusees soll Gaskraftwerke in Ruanda speisen. Von Anne Gonschorek , Kapstadt

  • Anne Gonschorek
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Geschichte liest sich wie ein Horrorthriller: 1984 starben in der Nähe des Monoun-Sees in Westkamerun 37 Menschen auf offener Straße, ihre Körper von Blasen übersäht. Überlebende berichteten von einer weißen Gaswolke, die langsam über den Boden schwebte. Hatte da jemand mit Chemiewaffen gespielt? Zwei Jahre später starben am Nyos-See im Westen Kameruns auf gleiche Weise 1700 Menschen.

Schließlich kam heraus, dass die tödliche Gaswolke von dem nahe liegenden See entwichen war, dessen Wasser fast vollständig mit Gas gesättigt ist. »Es ist fast sicher, dass der See wieder töten wird, wenn das Gas nicht entfernt wird«, warnte der britische Umweltmediziner Peter Baxter gegenüber der BBC. Die Regierung begann deswegen, das Gas abzusaugen und in höhere Luftschichten abzublasen.

Ein dritter See jedoch zeigte auch eine nützliche Seite des Gases. Der Kivusee an der Grenze zwischen Kongo und Ruanda ist 2000 Mal größer als der Nyos-See und an seinen Ufern leben zwei Millionen Menschen in ständiger Gefahr. Dies bewegte die ruandische Regierung dazu, eine Lösung zu suchen, um eine Katastrophe zu verhindern. Auf dem Grund des Sees ist das Wasser voller Kohlenstoffdioxid, das Bakterien zum Teil in Methan umwandeln. Dieses könnte wiederum für die Stromerzeugung genutzt werden - ein Hoffnungsschimmer für ein Land, in dem weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung ohne Elektrizität leben muss. Das »Kivuwatt Biogas Projekt« wurde ins Leben gerufen.

Im Mai dieses Jahres beginnt Projektphase Eins mit der Inbetriebnahme eines 25-Megawatt-Biogas-Kraftwerks. Dieses wird viele Menschen an den Ufern des Kivusees mit Elektrizität beliefern. Sollte sich die Technologie bewähren, wird sie auch für Projektphase Zwei genutzt: beim Bau eines weiteren Kraftwerkes mit einer Kapazität von 75 Megawatt. Damit würde Ruandas Kraftwerksleistung von derzeit ungefähr 183 Megawatt um mehr als 50 Prozent gesteigert.

Es ist nicht leicht, potenzielle Investoren für eine Biogasanlage in einer solch politisch turbulenten Gegend zu gewinnen, noch dazu, wenn gleich neben der geplanten Anlage ein Vulkan aktiv ist. Eine Studie der Weltbank hatte Sicherheit, Nachhaltigkeit und Umwelteinfluss des Projektes untersucht und die Multilaterale Agentur für Investitionsgarantie (MIGA) stellte eine Versicherung politischer Risiken aus.

Das waren die notwendigen Absicherungen für die Kreditgeber. Das Energieunternehmen Contour Global erwarb daraufhin eine 25-jährige Konzession für den Betrieb von Biogaswerken. Laut Vereinbarung wird die ruandische Regierung den gesamten von der Biogasanlage produzierten Strom kaufen. Die Regierung geht davon aus, dass sie mögliche Überschüsse an Nachbarländer verkaufen kann. Wenn es denn einen Überschuss geben wird. Denn vorher müssen jene Menschen mit Strom versorgt werden, die bisher überhaupt keinen Zugang zur Elektrizität haben - immerhin 78 Prozent der Bevölkerung.

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