Kein Papa in der Pampa

Das 11mm-Fußballfilmfestival zeigt zum 12. Mal Fußballfilme aus aller Welt im Kino Babylon

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Für einen kurzen Augenblick darf sich jeder als Sieger fühlen: egal, ob man seinen zwei Köpfe kleineren Bruder zwischen Wäschestangen ausgespielt oder das entscheidende Tor in einem Europapokalfinale geschossen hat. Spaß am Fußball ist unabhängig von den eigenen, meist bescheidenen Fähigkeiten. Mitspielen kann erst einmal jeder - mitreden sowieso.

So hat fast jeder Mensch schon einmal den Namen Lionel Messi gehört. Auch wenn nur ein Bruchteil der Erdbevölkerung nachvollziehen kann, was der kleine Argentinier in Diensten des FC Barcelona mit dem Ball anstellt. Ist er der kompletteste Spieler aller Zeiten? Dieser Frage geht der Eröffnungsfilm des diesjährigen 11mm-Fußballfilmfestivals nach, das am Donnerstag im Kino Babylon in Mitte beginnt. Auch Regisseur Álex de la Iglesia (»Perdita Durango«) und Drehbuchautor Jorge Valdano, Fußballweltmeister von 1986, ein großer Intellektueller des argentinischen Fußballs, können diese Frage nicht beantworten. Dem wortkargen Messi sind solche Fragen unangenehm, der kompletteste Interviewpartner der Welt ist er mit Abstand nicht.

Das ist Fans wie Johan Puig egal - solange Messi für sein Team Tore schießt. Jeden Tag fährt der Protagonist aus Johan Kramers »Johan Primero« (2010) mit seiner alten Ente um das Camp Nou, das Stadion des FC Barcelona, herum. Mindestens 50 Mal. Er ist sich sicher: Je häufiger er die Runde schafft, desto besser wird Barca spielen. Kramers Film, der auf dem Festival vor fünf Jahren Deutschlandpremiere feierte, wird im Rahmen einer Retrospektive des niederländischen Regisseurs wieder gezeigt. Kramer, der seinen Vornamen aus Verehrung für den niederländischen Mittelfeldspieler Neeskens von Jan Jasper in Johan ändern ließ, hatte mit seinem Film »The Other Final« 2005 die Goldene Elf, den Publikumspreis des Festivals gewonnen. Auch sein Dokumentarfilm über das Spiel der beiden damaligen Letzten der FIFA-Fußballweltrangliste zwischen Montserrat und Bhutan am 30. Juni 2002, dem Tag des WM-Endspiels zwischen Brasilien und Deutschland, wird noch einmal gezeigt.

Letzter werden kann am Ende nur einer, so ist die Faszination der Filmemacher für fußballerische Trümmertruppen zu erklären - schließlich warten dort die Rekorde und nicht beim Vorletzten. Mike Brett und Steve Jamison, britische Filmemacher, haben sich nach Amerikanisch-Samoa aufgemacht. Die dortige Nationalmannschaft hält immerhin auch einen Weltrekord: Mit 0:31 verlor sie 2001 in der Qualifikation zur Weltmeisterschaft gegen Australien. Trotzdem versucht es die Mannschaft immer wieder, auch wenn es für die Qualifikation zur WM 2014, die »The Next Goal Wins« begleitet, selbst mit einem niederländischen Trainer nicht gereicht hat.

Das Festival findet in einer fußballerischen Zwischenzeit statt: Der WM-Gewinn der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Argentinien in Brasilien ist noch nicht ganz verdaut - wobei die Festival-Macher dankenswerter Weise darauf verzichten, »Die Mannschaft« zu zeigen und sich stattdessen der weltweiten Begeisterung für das Turnier und der besonderen Beziehung der Argentinier zu ihrer Nationalmannschaft widmen. Drei sportliche Großereignisse stehen 2015 in Berlin an: Zwei Champions League-Endspiele - und erstmals, im 50. Jahr der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, auch die Maccabi Games, die europäischen jüdischen Sportwettkämpfe. In einer kleinen Sonderreihe widmet sich 11mm neben großen Europapokalgeschichten auch den jüdischen Fußballwelten.

Manchmal ist man, trotz großen Nachnamens, der einsamste Mensch auf dem Platz. So wie Benjamin Scholl in »Bamboule«, den sein »Ich bin in einem Meeting!«-Papa in der Pampa vergessen hat - auf einem Sportplatz in Brandenburg. Allein mit Reiswaffeln und einem mürrisch-schweigsamen Platzwart. Da bleibt viel Zeit, um dem Rasen beim Wachsen und dem Rasenmäher beim Mähen zuzuschauen. Und Zeit zum Nachdenken: Ist Messi nun der kompletteste Fußballer der Welt?

11mm-Filmfestival, 19. bis 23.3., Kino Babylon, Mitte, www.11-mm.de

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