nd-aktuell.de / 23.03.2015 / Politik / Seite 1

Kraftvolle Botschaft Öcalans

Zum Newroz-Fest erneut ein kurdisches Signal für Frieden und Versöhnung

Diyarbakir, die heimliche Hauptstadt Türkisch-Kurdistans, erlebt jedes Jahr zum kurdischen Neujahrsfest Newroz eine gewaltige Demonstration für kurdische Eigenständigkeit. Nicht selten in der Vergangenheit wurden die versammelten Menschen vom türkischen Militär brutal attackiert. Doch auch die vielen Todesopfer, die es dabei gab, haben die Kurden nicht von ihrem Freiheitsstreben abhalten können. Seit einigen Jahren akzeptiert die türkische Staatsmacht das und verfolgt Forderungen der Kurden nach Autonomie und Kulturhoheiten nicht mehr, als wäre es Hochverrat.

Zu dieser allmählich praktizierten Toleranz gehört auch, dass der zu lebenslänglicher Haft begnadigte Führer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) seine jährliche Botschaft, verfertigt auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer, verlesen lassen kann. Diesmal rief Abdullah Öcalan seine Bewegung am Samstag auf, einen Kongress zu organisieren, »um den 40 Jahre langen Kampf gegen die Türkische Republik zu beenden«.

Es herrschte in jeder Hinsicht bestes Klima. Als die Rede Öcalans am Sonnabend vorgetragen wurde, schreibt die dpa-Korrespondentin, habe der Regen aufgehört, und die Sonne brach durch die Wolken. Hunderttausende riefen: »Lang lebe unser Anführer Öcalan!« Die Feier habe eindrucksvoll gezeigt, wie viel Unterstützung die PKK bei den Kurden genießt - und dass Öcalans Einfluss auch nach 16 Jahren in türkischer Haft ungebrochen ist. 1984 begann die PKK einen bewaffneten Kampf für ein unabhängiges Kurdistan, inzwischen modifizierte sie das Ziel offiziell auf Autonomie innerhalb der Grenzen der Türkei.

Die türkische Regierung begrüßte Öcalans Botschaft. Dessen Äußerungen seien »in jeder Hinsicht positiv«, erklärte Vizeregierungschef Bülent Arinc. Regierungschef Ahmet Davutoglu versprach laut AFP, »das Notwendige zu tun«, um den Friedensprozess erfolgreich zu Ende zu bringen. Die islamisch-konservative Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan hofft bei der Parlamentswahl im Juni auch auf die Unterstützung der 15 Millionen Kurden im Land. Sie braucht große Mehrheiten für eine Änderung der Verfassung, um dem Präsidentenamt mehr Macht zu geben. roe Seite 7