Kohleausstieg nicht überstürzen

Märkische SPD macht Front gegen Vorschläge des Bundeswirtschaftsministers

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Kohlekraftwerke müssten eventuell früher abgeschaltet werden, wenn die Pläne aus dem Ressort von Sigmar Gabriel umgesetzt werden, warnen die Brandenburger Genossen des Ministers.

In der Energiepolitik hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die brandenburgische SPD gegen sich. »Wir werden klar machen, dass wir diesen Kurs für falsch halten«, sagte Landtagsfraktionschef Klaus Ness am Dienstag unumwunden. Damit bezog er sich auf eine Veröffentlichung aus dem Wirtschaftsministerium, der zufolge Braunkohlekraftwerke vermittels höherer Zertifikatskosten »künstlich« in eine schwierige Konkurrenzsituation gebracht werden sollen.

Betreiber der Kohlekraftwerke könnten gezwungen sein, sie früher abzuschalten, mutmaßte Ness. Damit würde Deutschland sicher schneller das Ziel erreichen, auf eigenem Territorium den Kohlendioxidausstoß auf 40 Prozent zu reduzieren, räumte Ness ein. Allerdings um den Preis, in absehbarer Zeit Kohlestrom aus Polen importieren zu müssen. Das Ganze wäre also ein ökologisches »Nullsummenspiel«, argumentierte der Fraktionschef. Sollte dieses Papier Beschlusslage werden, würde es sich um eine »einseitige Maßnahme« gegen bestimmte Kraftwerke handeln. Beginnen würde dann eine Diskussion über die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken, befürchtet Ness.

Die Umsetzung des Vorschlags aus dem Hause Gabriel würde einen überstürzten Ausstieg aus der Braunkohle nach sich ziehen, mit unabsehbaren Folgen. In der Lausitz seien rund 10 000 Arbeitsplätze von der Braunkohle abhängig. Eine überstürzte Deindustrialisierung könne sozialpolitisch verhängnisvoll sein. Ness zufolge würde allein das Kraftwerk Jänschwalde mit 144 bis 160 Millionen Euro mehr belastet werden. Auch das Kraftwerk Schwarze Pumpe würde in schwierigeres Fahrwasser geraten.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erklärte: »Nach einer ersten Analyse des Papiers würden die Braunkohlekraftwerke bei Umsetzung der Vorschläge so unwirtschaftlich, dass ungefähr die Hälfte stillgelegt werden müsste. Das kann niemand wollen.«

Fraktionschef Ness unterstrich, dass es sich bei dem ominösen Papier nicht um einen Beschluss handele, und er sagte voraus, dass Brandenburg und Sachsen gegen dergleichen Visionen »deutlich und klar« Front machen würden. Das Gelingen der Energiewende stehe vor allem aufgrund der Weigerung Bayerns in Frage, die notwendigen Stromtrassen aus Nord- und Ostdeutschland zu legen, erklärte Ness. Um die offene Frage der Speicherung von Wind- und Sonnenenergie zu lösen, benötige man »noch 20 Jahre«. Daher sei ein gleichzeitiger Ausstieg aus der Atomenergie und der Braunkohleverstromung nicht möglich.

Nach Einschätzung der märkischen Linksfraktion hängt die Akzeptanz der Energiewende auch von der Entwicklung der Strompreise ab. Eine Steigerung von zehn oder 15 Prozent wäre vermittelbar, glaubt Vizefraktionschef Ralf Christoffers. Das gelte aber nicht für 93 Prozent mehr. Eine derartige Kostenexplosion sei jedoch für die Zeit seit dem Jahr 2000 gemessen worden. Zu Beginn der Energiewende sei dem Mittelstand eine Steigerung um maximal 30 Prozent verheißen worden, erinnerte Christoffers.

Wirtschaftsstaatssekretär Henrik Fischer hatte kürzlich vorgerechnet, dass ein dreiköpfiger Haushalt in Brandenburg aufgrund der Vorreiterrolle des Bundeslandes bei den erneuerbaren Energien inzwischen fast 200 Euro mehr für Strom zahle als ein vergleichbarer Haushalt in Süddeutschland. Aus diesem Grund sinke die Zustimmung zur Energiewende im Bundesland rapide.

Christoffers kritisierte, dass in der politischen Sphäre jede Menge Papiere kreisten, die von einer Steigerung von maximal 0,2 Cent pro Kilowattstunden ausgegangen sind. Die Realität sei aber längst eine andere. »Unsere Schätzungen haben sich bestätigt.« Die Frage der Akzeptanz falle oder steige mit dem Preis für den Endverbraucher. Wenn die Bundesregierung einen zügigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung betreibe, dann müsse sie für Brandenburg, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ein Alternativprogramm auflegen, verlangte Christoffers. »Das können die Länder allein nicht stemmen.«

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