nd-aktuell.de / 27.03.2015 / Brandenburg / Seite 10

BND-Tätigkeit hatte ein Geheimnis bleiben sollen

Fraktionschefin durch den Bürgermeister von Seddiner See enttarnt / Die Freien Wähler sind entsetzt

Andreas Fritsche
Die Fraktionschefin der Freien Wähler in Seddiner See arbeitet für den BND. Weil der Bürgermeister diese Information weitergab, hat sie ihn angezeigt.

Die Freien Wähler (FW) sprechen von einer »inszenierten Schmutzkampagne« des Bürgermeisters Axel Zinke (parteilos) gegen ihre Fraktionschefin Carina Simmes. Der Bürgermeister von Seddiner See verlasse den Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wenn er Simmes wegen ihrer Tätigkeit für den Bundesnachrichtendienst (BND) bedränge und sie mit Drohungen zur Niederlegung ihres Mandats zu zwingen versuche, schimpft FW-Landeschef Péter Vida. Für Linksfraktionschefin Kathrin Menz ist es einfach nur »kurios«, womit die kleine Gemeinde hier in die Medien kommt. Dabei gäbe es dringendere Probleme wie fehlende Kitaplätze oder Belastungen durch den Ausbau der Autobahn.

Es ist öffentlich geworden, dass Carina Simmes und ihr Mann Ralf, der im Ortsbeirat Neuseddin sitzt, BND-Mitarbeiter sind. Bürgermeister Zinke hatte diese Information einem Antrag auf einen Kitaplatz entnommen. Er soll Carina Simmes darauf angesprochen und ihr deutlich gemacht haben, dass er nur zwei Möglichkeiten sehe: Entweder Simmes bekenne sich zu ihrem Arbeitgeber oder sie lege ihre Ämter nieder. Schließlich benachrichtigte der Bürgermeister die Beschäftigten der Gemeindeverwaltung und Potsdam-Mittelmarks Landrat Wolfgang Blasig (SPD). Die Information sickerte durch.

Dem Bürgermeister wird nun zum Vorwurf gemacht, er habe erst eine ihm unbequeme Gemeindevertreterin unter Druck gesetzt und dann den Datenschutz verletzt. Er selbst erzählt und sieht das anders.

Fakt ist: Die Beamtin hat vor der Kommunalwahl im Mai 2014 nur ihren Beruf und nicht ihren Arbeitgeber offenbart. Dazu war sie allerdings auch nicht verpflichtet. Gefordert sei, den erlernten Beruf oder die derzeitige Tätigkeit anzugeben, »mehr nicht«, erklärt Bettina Cain, Sprecherin des Landeswahlleiters. Das gilt theoretisch auch für ehemalige hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit. Es gibt keine Rechtsvorschrift, die diese dazu zwingt, sich den Wählern zu offenbaren.

Carina Simmes habe gegen den Bürgermeister Strafanzeige wegen Verletzung von Privatgeheimnissen gestellt, bestätigte die Staatsanwaltschaft. Pikant ist, dass die Freien Wähler noch im Februar beantragt hatten, alle Gemeindevertreter, den Bürgermeister und seinen Stellvertreter auf frühere Stasi-Tätigkeit hin zu überprüfen. Das wurde aber mit großer Mehrheit abgelehnt. Die LINKE hatte sich im Vorfeld mit mehreren anderen Fraktionen verständigt, »dass 25 Jahre danach nun auch mal Schluss sein sollte«, berichtet Linksfraktionschefin Menz. Schließlich seien die Gemeindevertreter seit der Wende mehrfach durchleuchtet worden. Menz hatte in der Diskussion im Februar nicht verhehlt, dass sie die Offenlegung jeglicher Geheimdiensttätigkeit für richtig halten würde. »Wenn überhaupt, sollten wir uns auf Mitarbeit bei KGB, Mossad, BND usw. untersuchen lassen«, sagte sie. Carina Simmes habe sich dazu nicht geäußert, erinnert sich Menz, die damals keine Ahnung hatte, dass Simmes für den Bundesnachrichtendienst arbeitet.

Die Freien Wähler prüfen, ob gegen den Bürgermeister disziplinarische Maßnahmen einzuleiten wären. In Betracht zu ziehen wäre dies nach Darstellung des FW-Landesvorsitzenden Vida wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten und wegen des Infragestellens rechtsstaatlicher Institutionen.

Ob sich die Gemeindevertretung bei ihrer nächsten Sitzung mit dem Fall befasst, ist offen. »Momentan gibt es keinen Antrag auf weitere Besprechung«, sagt Linksfraktionschefin Menz. »Da wir aber erst am 28. April wieder tagen, ist also hier noch Luft.« Menz findet: »Im Rahmen der Transparenzoffensive des BND wäre Transparenz in unserer kleinen Gemeinde sicher auch gut gewesen. Aber auch an dieser Stelle wiederhole ich, dass wir weit dringendere Probleme haben.« Seite 9