nd-aktuell.de / 27.03.2015 / Politik / Seite 20

Bergung bringt die Helfer an ihre Grenzen

Hinterbliebene treffen in den französischen Alpen ein

Sabine Dobel, Seyne-les-Alpes

Im Rathaus von Seyne-les-Alpes klingelt das Telefon ohne Pause. »Ihre Telefonnummer?«, fragt die Mitarbeiterin. »Gut, ich nehme Sie auf die Liste.« Ständig melden sich im 1500-Seelen-Ort in den französischen Alpen Anwohner, die bereit sind, Menschen aus Deutschland, Spanien oder anderen Ländern aufzunehmen. Angehörige von Absturzopfern. Es ist ein Zeichen der Solidarität mit denen, die beim Absturz der Germanwings-Maschine ihre Nächsten verloren haben. Seyne-les-Alpes liegt 15 Kilometer von der Absturzstelle im schroffen Gebirgszug entfernt.

Hubschrauber kreisen über dem Ort. Im Sportzentrum am Ortsrand ist eine Art Kapelle eingerichtet, ein Raum der Stille und des Trauerns. Gendarmen stehen an der Straße und kontrollieren den Zugang. Die Menschen im Ort sind betroffen. »Auch wenn ich niemanden gekannt habe - es ist einfach furchtbar«, sagt Marie-Therese Jean.

An der Unglücksstelle sind Einsatzkräfte dabei, Spuren zu sichern und die sterblichen Überreste zu bergen. Sie fotografieren, stecken Fähnchen in den Boden. Am Morgen starteten in Seyne-les Alpes Helikopter und brachten sie in das unwegsame Gelände. Etwa 70 Ermittler und Spezialkräfte der Bergrettung sind es am Donnerstag. Die Bedingungen sind schwierig. »Es ist steil und rutschig«, sagt der Chef der Bergrettungskräfte, Olivier Cousin. »Es ist gefährlich, man kann abstürzen.« Seine Leute nehmen die Ermittler ans Seil, sichern sie bei dem gefährlichen Job.

Die meisten Luftfahrtexperten, die Spuren für die Ermittlung der Unfallursache sichern und den zweiten Flugschreiber suchen, haben keine Bergerfahrung. Ebenso wenig die Rechtsmediziner und Fachleute, die Leichen orten und für die Bergung bereit machen. Für sie ist die Arbeit physisch und psychisch eine immense Belastungsprobe. Wenn jemand nicht mehr könne, werde er abgelöst - und notfalls auch psychologisch betreut, sagt Cousin.

Obwohl es kein Eis gibt, sind die Helfer mit Steigeisen und Eispickel unterwegs. Das gibt besseren Halt und schützt vor dem Abrutschen. Eine Gefahr sind auch die Helikopter. Ihre Rotoren könnten Steine und Metallteile aufwirbeln - und die Einsatzkräfte verletzen.

Die sterblichen Überreste sollen nicht nach Seyne-les-Alpes, sondern in einen anderen Ort gebracht werden. Wann alle Toten geborgen sein könnten, ist Cousin zufolge offen: »Wir haben keine Ahnung, wie lange es dauert, sie aufzunehmen und ins Tal zu bringen.« dpa/nd