Eine Weiche für die Kohlebagger

Gericht berät zur Klagebefugnis der Gegner des Tagebaus Nochten

  • Hendrik Lasch, Bautzen
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Tagebau Nochten in der Oberlausitz soll erweitert werden, 1600 Menschen müssten wegziehen. Gegen die Pläne haben ein Anwohner und der BUND geklagt. Richter klären zunächst, ob sie das dürfen.

Wann darf sich ein Bürger, dessen Haus von Kohlebaggern bedroht wird, gegen den Tagebau wehren? Ab welchem Zeitpunkt darf ein Umweltverband dagegen zu Felde ziehen, dass wertvolle Biotope zerstört werden, um Braunkohle zur Erzeugung von Strom verfeuern zu können? Die Frage »ist nicht ganz einfach zu beantworten«, sagt Jürgen Meng, Vorsitzender Richter am 1. Senat des Oberverwaltungsgerichtes Sachsen (OVG) in Bautzen. Dieser beriet am Donnerstag über die Klagen eines Anwohners und des Umweltverbandes BUND gegen den Braunkohlenplan, den der Regionale Planungsverband Oberlausitz-Niederschlesien im Oktober 2013 beschlossen hat. Er ist Grundlage dafür, dass der Energiekonzern Vattenfall die Erweiterung des Tagebaus Nochten plant, um weitere 300 Millionen Tonnen Braunkohle gewinnen zu können. Die Richter wollen innerhalb der kommenden zwei Wochen entscheiden.

Das Gericht ist sich der Tragweite seiner Entscheidung bewusst. Es sei ein »gesellschaftspolitisches Thema«, das die 1600 von der Umsiedlung bedrohten Menschen ebenso bewege wie die Arbeiter in Tagebau und Kraftwerken, sagte Meng. Die Debatte wird nicht nur in der Lausitz geführt: Gerade veröffentlichte die Umweltstiftung WWF die Ergebnisse einer Umfrage, der zufolge sich zwei Drittel der Bundesbürger gegen den Neuaufschluss von Kohlegruben aussprechen; nur 17 Prozent befürworten neue Gruben. Das verwundert nicht angesichts breiter Debatten zum Klimawandel und eines steigenden Anteils von Solar- und Windenergie an der Stromerzeugung. Der WWF fordert den Verzicht auf Neuaufschlüsse, gerade von Vattenfall. Der Konzern will seine Kohlesparte verkaufen. Selbst die Bautzener Richter hatten nach eigener Aussage zwischenzeitlich spekuliert, ob die Klage dadurch hinfällig wird.

Um den Vattenfall-Verkauf ging es im Gerichtssaal nicht. Auch über die Energiepolitik wird in der ersten Runde am OVG noch nicht gesprochen. Zunächst geht es um die grundsätzliche Frage, ob der Umweltverband und der Bürger überhaupt zur Klage befugt sind. Das sei, sagt Meng, eine »wesentliche Weichenstellung für das Verfahren«. Wird sie verneint, wie das der Planungsverband und Vattenfall fordern, wäre der Prozess beendet, bevor er richtig begonnen hat. Der BUND beruft sich auf ein Verbandsklagerecht. Der Anwohner macht geltend, dass sein Vierseithof mitten in dem zur Kohleförderung vorgesehenen Gebiet nahe des Dorfes Rohne liege, das wohl 2026 abgebaggert werden dürfte. Vor Gericht sagte er, er habe den Hof als »neue Heimstatt« gekauft, nachdem das Haus der Großeltern der Kohle hatte weichen müssen und das seiner Eltern akut bedroht sei. Es sei »sehr bedrückend, dass man jetzt schon wieder die Heimat verliert«, fügte er hinzu.

Derlei emotionale Schilderungen blieben die Ausnahme. Bestimmt wurde die Verhandlung von Diskussionen über ebenso spröde wie komplexe juristische Details, vor allem die Frage, ob sich die Klage schon gegen den Regionalplan richten dürfe. Dieser »sichert nur den Rohstoffabbau, aber genehmigt ihn noch nicht«, sagte der Anwalt des Planungsverbandes. Auch der Rechtsbeistand von Vattenfall betonte, über Verfahren zur Grundabtretung, sprich: Enteignungen, werde erst aufgrund späterer Genehmigungen nach Bergrecht wie dem Rahmenbetriebsplan des Tagebaus gesprochen.

Dem widerspricht Klägervertreterin Roda Verheyen. Schon der Regionalplan gebe »das Go für alle Verhandlungen und Umsiedlungen«. Klage man erst gegen den Betriebsplan, sei zu befürchten, dass den Klägern vorgeworfen würde, den Regionalplan nicht angefochten zu haben. Außerdem, sagt der Kläger, drängt die Zeit. Im Gemeinderat Rohne wird im April über die Verträge zur Umsiedlung abgestimmt: »Ich kann also nicht warten, bis der Betriebsplan fertig ist.«

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