nd-aktuell.de / 28.03.2015 / Kommentare / Seite 3

Auch die EZB hat Schuld an dem Desaster

Für Nicolai Hagedorn ist die Kritik von Blockupy an dem Finanzinstitut in Frankfurt am Main gerechtfertigt

Trifft die Kritik der Blockupy-Aktivisten an der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht zu, wie viele Kommentatoren nach dem Aktionstag in Frankfurt zu bedenken gaben? Für »taz«-Chefredakteurin Ines Pohl beispielsweise ist der Fall klar. Für sie ist die EZB »das falsche Ziel. Denn sie hat in den vergangenen Jahren wenig falsch und viel richtig gemacht.« Und Jan Seidel aus dem ARD-Hauptstadtstudio assistiert: »Die EZB flutet gerade die Märkte mit Geld und senkt die Zinsen, damit sich unsere mehr oder weniger revolutionären Freunde in allen Teilen Europas billig finanzieren können und erst einmal nicht so dringend sparen müssen! Was - bitte - soll daran falsch sein?«

Dabei ist bereits die Frage falsch gestellt, denn die eine Blockupy-Kritik gibt es nicht. So ist die EZB für das an der Organisation von Blockupy direkt beteiligte kommunistische »Ums Ganze«-Bündnis »ein wesentlicher Pfeiler des Politischen in der politischen Ökonomie des europäischen Kapitalismus«. Die Zentralbank stütze das Austeritätsregime, »und selbst wenn die EZB ihren Kurs irgendwann zugunsten der ärmeren EU-Länder ändern würde«, so der Demoaufruf der Gruppe, »wäre dies noch längst nicht das Ende des kapitalistischen Imperativs einer so endlosen wie irren Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Im Gegenteil. Die EZB wäre auch dann immer noch eine der wesentlichen Stützen kapitalistischer Staatspolitik in Europa, nur eben einer anderen, sozialdemokratischen, deren ›Erfolg‹ sich - mit den bekannten Kollateralschäden - ebenso auf dem Weltmarkt beweisen muss. Ein gutes Leben für alle ist nur zu haben, wenn dieser Pfeiler zerschlagen wird.«

Ganz anders klingt die Kritik des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac oder der Linkspartei, die ebenfalls bei Blockupy vertreten sind. Sahra Wagenknecht (LINKE), die als Rednerin auf dem Frankfurter Römer auftrat, geißelte die Erpressung insbesondere Griechenlands durch die EZB. Und auch dieses weniger radikale Argument, das mehr auf eine veränderte Politik als auf eine Revolution abzielt, ist kaum von der Hand zu weisen. Zwar verkündete EZB-Chef Mario Draghi Anfang März ein milliardenschweres Aufkaufprogramm europäischer Staatsanleihen, jedoch mit dem Hinweis, Griechenland sei davon ausgenommen, solange es keine überprüfbaren Reformschritte unternehme. Was selbstverständlich auch als Warnung etwa an Spanien zu verstehen ist, wo der Widerstand in Form der linken Partei Podemos ebenfalls Chancen auf baldige Machtübernahme hat.

Im Übrigen sind die Programme der EZB selbst unter Ökonomen umstritten und können seriös kaum unter »Alles richtig gemacht« eingeordnet werden. Tatsächlich haben die Maßnahmen der Troika aus EZB, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Kommission - und damit die angeblich notwendigen sozialen Verheerungen - bei weitem nicht die erhoffte Wirkung erbracht. Die Schulden der südeuropäischen Krisenstaaten sind weiter gewachsen, die ökonomischen Kennziffern und die Arbeitslosenquoten haben sich, wenn überhaupt, kaum erholt, die ökonomischen Ungleichgewichte innerhalb des europäischen Währungsraums haben sich eher vergrößert und nach wie vor profitiert von alldem fast ausschließlich die deutsche Wirtschaft, neuerdings noch zusätzlich von dem durch die EZB-Politik geschwächten Euro.

Es gibt sicher viel an Blockupy zu kritisieren. Beispielsweise, dass die antikapitalistischen Gruppen ihre spektakulären Aktionen nicht mit einer nachvollziehbaren politischen Botschaft verbinden, obwohl eine antikapitalistische Perspektive für die europäische Südperipherie, die über die Politik der Linksparteien hinausgehen würde, vielleicht gar nicht so abwegig ist. Den Beteiligten aber vorzuwerfen, sie hätten sich mit der EZB irgendwie in der Anschrift vertan, ist eher intellektueller Trägheit saturierter Kommentatoren geschuldet als den tatsächlichen Verhältnissen. Und die sind gerade in Griechenland nicht hinnehmbar - woran das Finanzinstitut in Frankfurt am Main einen wesentlichen Anteil hat.