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Lübecker Gipfelwahn

Nach den Blockupy-Protesten in Frankfurt am Main wird in der Hansestadt gegen G7-Gegner Stimmung gemacht

  • Dieter Hanisch, Lübeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Lübeck wird vor dem G7-Außenminister-Gipfel im April auf den Ausnahmezustand vorbereitet, die Gipfel-Gegner werden kriminalisiert. Und Bürger sind genervt, weil ihre Freiheit eingeschränkt wird.

Wenn sich die Außenminister unter Vorsitz von Gastgeber Frank-Walter Steinmeier (SPD) zwei Tage lang im kurz vor seiner Fertigstellung stehenden Hansemuseum versammeln, um das Treffen der G7-Regierungschefs am 7. und 8. Juni auf Schloss Elmau in Bayern vorzubereiten, wird das nicht geräuschlos passieren. Vertreter aus dem Bündnis »Stop G7 Lübeck«, zu dem Attac, die Interventionistische Linke (IL), die Grüne Jugend, die LINKE, die aus Malmö stammende Gruppierung »Alles für alle« und viele andere Initiativen gehören, machen deutlich, dass die G7-Delegationen mit mehreren hundert Mitgliedern und zum Teil eigenem Sicherheitsapparat, ein bis zu 1000 Journalisten zählendes Medienaufgebot und rund 4000 Polizeikräfte keinesfalls willkommen geheißen werden. Zumal die Vertreter des politischen Machtkartells aus Sicht ihrer Gegner keinerlei demokratische Legitimation für ihre weltpolitischen Vereinbarungen besitzen und die Bevölkerung der 215 000-Einwohner-Stadt nicht zu ihrer nun anstehenden Gastgeberrolle Mitte April gefragt wurde.

Nach den von militanten Aktionen begleiteten Blockupy-Protesten gegen die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main wird versucht die G7-Kritiker zu kriminalisieren. Die unter anderem von der CDU und ihrem Jugendverband Junge Union Gescholtenen sehen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und weisen noch einmal darauf hin, dass sie lediglich von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch machen. Christoph Kleine (IL) als einer der Sprecher aus dem Bündnis wirbt durchaus für zivilen Ungehorsam (»in den Weg stellen«), distanziert sich aber von Gewalt. Derzeit liegen laut Stadt Lübeck acht Protestanmeldungen vor, darunter eine große Demonstration am 14. April, zu der mehrere tausend Teilnehmer erwartet werden. Kurzfristig soll es zu spontanen und kreativen Aktionen kommen.

Allein 1600 Polizeibeamte aus Schleswig-Holstein werden im Einsatz sein. Der gesamten Landespolizei wurde ein Urlaubsverbot auferlegt. Andere Bundesländer und Bundespolizei stellen weitere 2400 Einsatzkräfte. In Lübeck wurde bereits damit begonnen, für 2000 Uniformierte ein Containerdorf zu errichten. Der Tagungsort, das Pressezentrum und Hotels auf der Wallhalbinsel sowie Rathaus und Marktplatz werden als gesonderte Sicherheitsbereiche abgeriegelt. Selbst Anwohner müssen mit einer massiven Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfreiheit rechnen. So sollen etwa alle Pkw rund ums Hansemuseum für die Gipfeltage von ihren Besitzern entfernt werden.

Die G7-Gegner hatten am Mittwochabend zu einer Diskussion auch Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD), Innensenator Bernd Möller (Grüne) und den Lübecker Polizeichef Heiko Hüttmann eingeladen, doch alle ließen sich nicht blicken. Damit blieb die Chance auf einen Dialog ungenutzt, denn Bürger hatten durchaus Fragen, etwa wie sich Pflegebedürftige und Pflegedienste in der Sicherheitszone verhalten sollen oder wie es Ärzten mit dem Zugang zu ihren Praxen ergeht.

Lübecks Polizeidirektor hatte zuletzt davon gesprochen, dass die City zu keiner abgeriegelten Festung werde. Es würden weniger Straßen abgesperrt als beim Lübecker Stadtmarathon. Auf Anfrage der Piratenfraktion im Kieler Landtag verneinte die Landesregierung, dass anlässlich des Lübecker G7-Events geplant sei, Gefahrengebiete, gefährdete Orte oder Sperrbezirke auszuweisen. Mit ihrer parlamentarischen Forderung nach unabhängigen Demonstrationsbeobachtern scheiterten die Piraten an allen anderen Parteien.

Saxe erhofft sich eine Imageaufwertung Lübecks durch das Politikertreffen. Er spielt die Kostendiskussion herunter. Bis auf kleine Verwaltungskosten wie fürs Aufstellen von Verkehrsschildern werde die Stadt finanziell nicht herangezogen. Sehr wohl aber der Steuerzahler. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kalkuliert mit zehn Millionen Euro, die das Treffen verschlingen wird.

www.stop-g7-luebeck.info

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