Geschichte muss geschrieben werden, nicht konsumiert

Leave It in the Ground - Zwei Videoarbeiten des österreichischen Künstlers Oliver Ressler im n.b.k. Showroom

  • Manuela Lintl
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Klimakrise ist kein technisches, sondern ein politisches Problem.« »Konsumiert nicht Geschichte. Schreibt sie.« Die beiden Sätze stammen nicht aus einem politischen Flugblatt oder Traktat, sondern aus Filmen des Künstlers Oliver Ressler. Ressler bewegt sich an der Schnittstelle von (Film-) Kunst und Aktivismus. Manche sagen dazu auch politische Kunst, doch dann schwingt schnell der Vorbehalt mit, der Künstler agiere nur als Sprachrohr bestimmter Ideologien oder er unterlaufe gar die postulierte und unbedingt zu verteidigende Freiheit der (absichtslosen) Kunst.

Ein ernstzunehmender Künstler muss sich also überzeugend abgrenzen von platter Propaganda oder unlauterer Indienstnahme seiner Kunst für bestimmte Meinungsmache. Wobei die Trennlinie dazwischen nicht immer klar verläuft, so dass Formen engagierter (antikapitalistischer) Kunst den Kritikern leicht Anhaltspunkte für Verrisse liefern. Für einen Künstler wie Ressler, der mit seinen Arbeiten das Feld aktueller gesellschaftspolitischer Themen durchdringt, ist es entsprechend schwierig, sich im Kontext konservativer Kunstrezeption und -repräsentation zu bewegen. Er wird sich zudem dem Kunstmarkt verweigern, um seine Glaubwürdigkeit zu bewahren. Gut so, wenn sich einer wie Oliver Ressler davon nicht beirren oder mundtot machen lässt, sondern mit dem Mittel der Kunst einen Beitrag zur Veränderung der Gesellschaft leistet und mindestens zum Nachdenken über Missstände anregt.

Der 1970 im österreichischen Knittelfeld geborene Oliver Ressler studierte an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien, wo er auch heute lebt und arbeitet. Er definiert sich selbst als »Filmemacher, der Installationen, Arbeiten im Außenraum und Filme zu Themen wie Ökonomie, Demokratie, Klimawandel, Widerstandsformen und gesellschaftlichen Alternativen realisiert«. Dies geschieht oft im Team durch projektbezogene Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern wie Zanny Begg (Sydney), Ines Doujak (Wien), Martin Krenn (Wien), Carlos Motta (New York), Gregory Sholette (New York), David Thorne (Los Angeles) oder Theoretikern wie dem Politikwissenschaftler Dario Azzellini (Caracas/Berlin), der unter anderem zur Occupy-Bewegung forscht.

Resslers Ausstellungsvita ist beachtlich und zeugt von einer enormen Aktivität und Umtriebigkeit. Im Berliner Showroom des Video-Forums des Neuen Berliner Kunstvereins (n.b.k.) zeigt er zwei neuere, je rund zwanzigminütige Videofilme von 2013 und 2014. Die Projektion »Leave It in the Ground« liefert zugleich den Ausstellungstitel. Hierin geht es um Zusammenhänge des öko-politischen Konflikts, der aus einer ungebrochen fortgesetzten Ölförderung und -nutzung resultiert und dessen katastrophale Folgen bereits ablesbar sind am Klimawandel und seiner Mündung in einer ökologischen Katastrophe. Ressler arbeitet mit dem filmischen Prinzip der Collage von gesprochenen Texten und Bildüberlagerungen und demaskiert die verschleierten Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge im fortgeschrittenen neoliberalen Kapitalismus. So werden im Film beispielsweise Aufnahmen der norwegischen Küste überlagert von Szenen der BP-Deepwater-Horizon-Ölplattformkatastrophe im Golf von Mexiko, die wiederum mit Szenen vom UNO-Klimagipfeln verschmelzen. Auch der zweite Film, »The Visible and the Invisible«, der auf einem separaten Bildschirm läuft, ist eine facettenreich modulierte politische Rede, die aufklärt über die Ausbeutung giftiger Rohstoffe durch internationale Konzerne, die von ihren Firmenzentralen in der Schweiz aus agieren.

Man sollte sich genügend Zeit nehmen, um beide Filme in Ruhe anzusehen. Sie sind informativ und eindringlich, setzen aber die Bereitschaft und Aufnahmefähigkeit voraus, einem inhaltsschweren Kurzvortrag über ökologische, politische und ökonomische Zusammenhänge anhand zweier unterschiedlicher Beispiele zu folgen.

Oliver Ressler schafft eine analytische Kunst mit investigativem Potenzial, die sich von reiner Dokumentation oder provokativen Spektakeln dankenswerterweise abhebt. Seine Videoarbeiten informieren und motivieren die Zuschauer zum gemeinsamen Handeln. Sein Werk steht so in einer Linie zu Arbeiten von Käthe Kollwitz, George Grosz, John Heartfield oder Peter Weiss, die ebenfalls eine Kunst mit hohem widerständigen Potenzial schufen.

Bis zum 24.4., n.b.k., Showroom, Chausseestr. 128/129, Mitte. Di-Fr 12-18 Uhr, Do 12-20 Uhr, Karfreitag geschlossen. Eintritt frei. Katalog 29,50 €.

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