»Wenn ich heule, war’s Kunst«

Ist Humorlosigkeit ein Erbübel der Linken? Die Filmkritikerin Renate Holland-Moritz im Gespräch mit Burga Kalinowski

Natürlich kannte man die Kino-Eule. Es sprach sich herum, dass die Dame gnadenlos und sachkundig über Film und Kintopp schrieb. Und manche Leser fragten sich, ob die Kino-Eule einen Jagdschein habe oder geheime Verbindungen nach Oben. Was immer hinter Oben vermutet wurde. Wer heute über das Satiremagazin »Eulenspiegel« und die Rubrik Kino- Eule laut nachdenkt, informiert gewissermaßen auf der zweiten Spur über Kultur-, Alltags- und Presse- Geschichte der DDR. 1960 übernahm die 25-jährige Journalistin Renate Holland-Moritz die Filmkritiken des Satiremagazins und begann zumindest der DDR-Filmwelt das Fürchten zu lehren und dem gemeinen Kinovolk die Liebe zu guten Geschichten beizubringen. Irrtümer nicht ausgeschlossen. Bei meinem ersten Anruf bat ich sie um die Beantwortung einer Frage zur Wende. Das lehnte sie ab. Seitdem telefonierten wir gelegentlich: Quatschen bis der Akku streikt, über Zeiten und ihre Zeitungen, über talentierte Kollegen ohne Anstand, über anständige Kollegen mit und ohne Talente. Über Opportunismus damals und heute. Über politische Verhältnisse und warum sie anders werden müssen. Darin sind wir uns einig: Diese Welt ist aus den Fugen – und so geht das nicht weiter. Am Sonntag feiert sie ihren 80. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch. Renate Holland-Moritz wurde am 29. März 1935 in Berlin geboren. Die Autorin von 20 humoristischen und satirischen Büchern besetzt mittlerweile den Rang der weltweit dienstältesten Filmkritikerin. Ihre neueste Kino-Eule steht im »Eulenspiegel« Heft 4/2015. Der Titel: »Abschiedsvorstellung«.

nd: Die letzte Kino-Eule ist erschienen. Wie fühlen Sie sich?
Holland-Moritz: Noch fühle ich mich gut, regelrecht befreit. Ich habe mich immer beim Schreiben gequält, aber mit dem Alter wurde es schlimmer.

Wirklich?
An manchen Tagen habe ich nicht mehr als einen Satz geschafft, und den hab ich am nächsten Tag wieder gestrichen. Schreiben hat mir noch nie Freude gemacht.

Warum sind Sie dann zur Zeitung gegangen?
Da ich nur schreiben und sonst gar nichts konnte, hatte ich keine Wahl. Ich war eine ziemlich schlechte Schülerin, außer in Deutsch und Geschichte. Und wenn es mir bis zur 10. Klasse auch gelungen war, mich so durchzumogeln, wusste ich doch, beim Abitur klappt das nicht. Und eines Tages hat ein ganz verzweifelter Chemielehrer richtig Zorn gekriegt, als ich wieder einmal hilflos vor der Tafel stand, und hat gesagt: »Aus Ihnen wird überhaupt nichts, es sei denn, Sie gingen zum Film oder zur Presse.« Das habe i...



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