nd-aktuell.de / 30.03.2015 / Sport / Seite 18

Horrornacht in Podgorica

Spielabbruch bei Montenegro gegen Russland, Gastgebern droht eine drakonische Strafe

Jens Marx, Podgorica
Im EM-Qualifikationspiel in Montenegro wurde der russische Torwart Igor Akinfejew von einer Leuchtrakete getroffen. Nach dem Spielabbruch ist nur noch die Höhe der UEFA-Sanktion fraglich.

Trotz erster Geständnisse muss der Fußball in Montenegro nach den Ausschreitungen von Podgorica mit drakonischen Strafen rechnen. Nach der Unterbrechung der Partie infolge des Wurfs eines Feuerwerkskörpers auf den russischen Torwart Igor Akinfejew nur kurz nach Spielbeginn und dem späteren Abbruch durch den deutschen Referee Deniz Aytekin hat Gegner Russland bereits Protest eingelegt. Die UEFA ermittelt. Die Zeitung »Vijesti« prophezeite das Ende des Fußballs in Montenegro »als zivilisierter Sport; wenigstens auf absehbare Zeit«.

»Es ist eine Schande«, sagte Nationaltrainer Trainer Branko Brnovic. Auch er war sichtlich erschüttert, nachdem die Partie in der 67. Minute beim Stand von 0:0 für beendet erklärt werden musste. Nach einem verschossenen Elfmeter durch Russlands Roman Schirokow - er soll dabei von einem Laserpointer geblendet worden sein - flogen erneut Gegenstände aufs Spielfeld des Gradski Stadions an diesem Freitagabend.

Schirokows Teamkollege Dimitri Kombarow wurde getroffen. Er meldete dies daraufhin Aytekin. Der 36-Jährige aus Nürnberg entschied auf Abbruch. Sogar unter den Spielern war es zu Tumulten gekommen. »Die UEFA wird zunächst die Berichte des Spieldelegierten und des Schiedsrichters abwarten, ehe ein Disziplinarverfahren eröffnet wird«, hieß es in der offiziellen Mitteilung der Europäischen Fußball-Union. Aytekin äußerte sich bislang nicht zu den Vorfällen.

Russlands Nationalcoach Fabio Capello kritisierte, dass nicht schon nach der Verletzung von Keeper Akinfejew die Partie abgebrochen wurde. Er war nach nur 20 Sekunden von dem Feuerwerkskörper am Kopf getroffen worden. Akinfejew musste ins Krankenhaus, er erlitt eine Nackenblessur und kleinere Brandverletzungen. Der mutmaßliche Werfer gab seine Tat laut lokalen Medienberichten zu, nachdem er zuvor eindeutig auf Videoaufzeichnungen identifiziert worden sein soll. Der 25-Jährige entschuldigte sich »bei dem verletzten Mann, seinem Fußballverband sowie auch unserer Elf und beim ganzen Staat. Erst jetzt habe ich die Folgen des Wurfs begriffen«. Allerdings gab er den Berichten zufolge auch zu Protokoll, dass er den Feuerwerkskörper »instinktiv« auf das Spielfeld geworfen habe, nachdem dieser von der Zuschauertribüne zuerst auf ihm gelandet sei.

Bereits am Samstag hatte Nationaltorwart Akinfejew Entwarnung gegeben: »Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich unterstützt haben. Ich fühle mich jetzt gut«, erklärte er auf der Verbands-Homepage. Die Entscheidung, das Spiel nach einer Pause von 33 Minuten fortzusetzen, habe der Referee allerdings nicht allein getroffen, erklärte Trainer Capello. »Die UEFA-Verantwortlichen haben gesagt, dass wir weiterspielen sollen«.

Russlands Sportminister Witali Mutko sprach wie Montenegros Coach von einer großen Schande. »Es wäre gut, wenn Montenegro am grünen Tisch verliert«, forderte er laut »Bild am Sonntag« eine entsprechende Entscheidung durch die UEFA.

Nach dem Abbruch der EM-Qualifikationspartie zwischen Serbien und Albanien nach Ausschreitungen und beim Stande von 0:0 war die Partie 3:0 für Serbien gewertet worden. Die Punkte wurden aber im selben Urteil wieder aberkannt. Beide Verbände bekamen damals einen Geldstrafe von 100 000 Euro, Serbien wurde zudem zu zwei Heimspielen ohne Zuschauer verurteilt. Der Generalsekretär des Fußballverbandes von Montenegro, Momir Djurdjevac, gab dem Staat die Schuld. Dieser habe bei den Hooligans versagt. Schon acht Jahre gebe es ein Gesetz gegen Gewalt bei Sportveranstaltungen. Doch seitdem sei noch niemand für die regelmäßigen Ausschreitungen bestraft worden. »Das Polizeiverzeichnis mit Anwesenheitsverboten (für Hooligans) in Stadien und Sporthallen muss so reich sein wie die Stadtbibliothek. Aber nein! Das Gesetz gilt nur auf dem Papier«, sagte er der Zeitung »Vijesti«.

Sportlich müssen die Russen und die Montenegriner unbedingt punkten. Beide haben nach vier Spielen jeweils nur fünf Zähler in der Gruppe G. Spitzenreiter ist Österreich (13 Punkte/5 Spiele), gegen das Russland am 14. Juni in Moskau spielt, vor Schweden (9/5), das am 14. Juni auswärts der nächste Gegner von Montenegro ist. dpa/nd