Spaniens erster Weltmeister

Eiskunstlauf-WM: Javier Fernandez gewinnt in Shanghai mit energiegeladener Kür

  • Britta Körber, Shanghai
  • Lesedauer: 3 Min.
Viel schlechtere Ausgangsbedingungen als der Spanier Javier Fernandez kann ein Eiskunstläufer kaum haben. Doch er suchte sich den besten Coach, ging nach Toronto und - wurde Weltmeister.

Kein Osterhase aus Schokolade war vor Javier Fernandez sicher. Ziemlich gut gelaunt, mampfend und mit viel Charme überstand der erste spanische Eiskunstlauf-Weltmeister die 60-minütige Pressekonferenz um Mitternacht in Shanghai. »Die Goldmedaille übersteigt meine höchsten Träume. Wissen Sie, meine erste kleine Trainingshalle in Madrid ist heute ein Restaurant«, erklärte der Wintersport-Exot und brachte Konkurrenten, Trainer und Reporter zum Lachen.

Die spanische Presse feierte ihn als »Eidechse auf dem Eis«. Er war stets nervös und unruhig in der Schule, seine Klassenkameraden gaben ihm den Reptilien-Spitznamen. Am Sonntag gratulierte nun Ministerpräsident Mariano Rajoy per Twitter zur historischen Leistung.

Mit einer Liebeserklärung an seine japanische Freundin Miki Ando beendete Fernandez die unterhaltsame Fragestunde: »Sie ist eine zweimalige Weltmeisterin, sie hilft mir, und ein Stück der Medaille gehört ihr.« Wegen der Affinität zu Asien und seines großen Show- und Sprungtalents nahmen es ihm die 17 000 Zuschauer im Oriental Sports Center auch nicht übel, dass er als »Barbier von Sevilla« erstmals Olympiasieger und Trainingskollege Yuzuru Hanyu übertrumpfe.

Hunderte von Teddybären prasselten für den Japaner auf das Eis, obwohl der Titelverteidiger nach Knöchelproblemen den Vierfach-Salchow aufriss und beim Toeloop stürzte. Nicht viel weniger Begeisterung löste danach der energiegeladene dreimalige Europameister mit seinen gestandenen zwei Höchstschwierigkeiten aus. Die beiden Kumpel lagen sich hinterher vor Freude in den Armen. Kurios war die Situation wieder einmal für Ex-Weltmeister Brian Orser, der an der Bande mit beiden mitfieberte.

»Mein Coach ist wie mein Vater, mein Freund und mein Feind. Er bringt mir Medikamente, wenn ich krank bin und kocht für mich. Aber wenn ich nicht trainiere, wird er richtig böse«, erzählte Fernandez. Und genau deshalb verließ der Anhänger von Real Madrid früh seine Heimat Richtung Toronto. Wie einst die Koreanerin Kim Yu-Na und zuletzt Hanyu soll Orser ihn zum Olympiasieger 2018 machen. »Ich versuche, diesen schönen Sport in Spanien zu entwickeln, und ich versuche, selbst darin zu wachsen«, sagte der bescheidene 23-Jährige.

Peter Liebers schaute genau hin, wie Fernandez triumphierte. »Peter leidet sehr«, sagte Trainerin Viola Striegler über den Berliner, der sein Repertoire in der Kür nicht mehr zeigen durfte, weil er zuvor ausschied. Mehrmals im Jahr nimmt der 26-Jährige Choreographie-Unterricht im Toronto Cricket-Club und steht dort gemeinsam mit Fernandez und Hanyu auf dem Eis. »Wir werden weitere Kooperationen mit den Kanadiern eingehen, denn wir müssen richtig wirbeln«, sagte Udo Dönsdorf, Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union. Nicht nur die Läufer, auch die Trainer müssten mehr geschult werden, so Dönsdorf. Ein Blackout wie bei dem Olympia-Achten Liebers im Kurzprogramm kann passieren, unentschuldbar ist dagegen das deutsche Gesamtergebnis in China mit ausschließlich vorletzten Plätzen. Nur die Hoffnung auf einen Start der noch gesperrten Medaillenhoffnung Aljona Sawtschenko/Bruno Massot ist kein Rezept für die Zukunft. dpa

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