Die freiwilligen Hüter der Grenzen

Bei der Vermessung setzt Bayern noch auf Siebener

  • Christiane Gläser, Haßfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Dieter Multerer hat eine Mission: Er soll einen Grenzstein sichern. Dafür rücken er und weitere Männer mit Zollstock, Maßband und einem Lot an. Sie messen genau den Abstand des Steines zur nächsten Wand und zum nächsten Bordstein und machen eine akkurate Skizze. Multerer und die anderen sind seit kurzem Feldgeschworene - die Hüter der Grenzen im Freistaat Bayern. Sie sichern und bewahren Grenzsteine und markieren - sichtbar und unsichtbar - Grundstücksgrenzen. Im unterfränkischen Haßfurt lernen die Männer, was bei dieser ehrenamtlichen Arbeit auf sie zukommt.

Feldgeschworene, Siebener, Märker, Untergänger, Feldscheider - die Bezeichnungen für das älteste noch erhaltene Ehrenamt der kommunalen Selbstverwaltung sind vielfältig. Etwa 24 000 Männer und Frauen sind dem bayerischen Finanzministerium zufolge für dieses Amt derzeit vereidigt, vor allem in Franken. Das ist in dieser Form und Ausprägung deutschlandweit einmalig. Im Rest der Bundesrepublik ist meist schon das Wort unbekannt.

In Baden-Württemberg beispielsweise gibt es zwar Messgehilfen, aber deren Arbeit sei nicht vergleichbar mit diesem traditionsreichen Ehrenamt, heißt es aus dem Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung. In Niedersachsen ist diese Art der Hilfe gänzlich unbekannt. Im westlichen Rheinland-Pfalz gibt es noch einige Feldgeschworene, die die Grenzsteine sichern und erhalten. In Thüringen ist das Amt vor zwei Monaten aufgegeben worden.

Aufgekommen im frühen 19. Jahrhundert, war es stets ein geschätztes Amt. Noch heute kann man sich nicht bewerben, sondern wird berufen. Wer das Amt annimmt, hat es auf Lebenszeit. Früher wurde diese Arbeit innerhalb der Familie weitergeben. Der 64 Jahre alte Erich Brohm hat sie vor mehr als zehn Jahren von seinem Vater übernommen. »Es ist schon eine Ehre. Man muss immer ehrlich sein und verantwortungsbewusst handeln«, sagt er. Und man muss jahrhundertealte Geheimnisse bewahren.

»Es ist schon interessant, wenn man Dinge wieder ins rechte Lot bringen muss. Es weckt den Ehrgeiz«, sagt Multerer. Abgesehen davon ist das Amt aber auch mit vielen Formularen und Protokollen verbunden. »Dass es so bürokratisch sein wird, hätte ich nicht gedacht. Aber das macht man ja auch nur alle paar Jahre mal.«

Der Jagdpächter kennt sich gut in der Region rund um Königsberg in Bayern aus. Etwa einmal im Jahr muss er nun Grenzen vermessen. Vermessungstermine seien in der ländlichen Region selten, erklärt er. Das komme höchstens mal bei Dorferneuerungen vor. Auch Grenzstreitigkeiten schlichten die Feldgeschworenen immer seltener. Das Land ist längst eindeutig vermessen und in digitaler Form festgehalten.

Für die bayerischen Vermessungsämter haben die Siebener aber noch immer einen wichtigen Vorteil: »Sie sind nötig, um bei Abmarkungen mitzuwirken und kostengünstig Grundstücksvermessungen durchführen zu können«, sagt Gerhard Hartmann. Er ist der Leiter des Schweinfurter Amtes für Vermessung. Er bildet die »Neuen« aus. Ohne die Feldgeschworenen wäre deutlich mehr Personal in den Vermessungsämter nötig, meint er. dpa/nd

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