Repression statt Hilfe

In Bayern stieg die Zahl der Drogentoten 2014 drastisch, doch die CSU ändert den Kurs nicht

  • Johannes Hartl
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Rauschgiftkriminalität in Bayern wird seit Jahren mit großen Anstrengungen bekämpft, aber die Zahl der Toten wächst weiter. Die SPD fordert die Schaffung von kon-trollierten Konsumräumen.

Betrachtet man die nüchternen Daten in der jüngst publizierten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2014, dann ist der Kampf gegen Rauschgiftkriminalität in Bayern ein beachtlicher Erfolg. Allein im letzten Jahr konnten die Sicherheitsbehörden im Freistaat demnach bei einer durchschnittlichen Aufklärungsquote von 97 Prozent insgesamt 38 555 Drogendelikte feststellen. Gegenüber den beiden Vorjahren, als bayernweit 35 427 (2013) beziehungsweise 32 803 (2012) Straftaten in diesem Bereich erfasst wurden, konnten die Fahnder der Polizei ihre Bilanz damit sogar signifikant verbessern.

Doch all dieser statistischen Erfolge zum Trotz ist die Zahl der Drogentoten in Bayern 2014 erneut drastisch angestiegen. Nach Recherchen des Internetportals Spiegel Online, das kürzlich einen Vergleich aller sechzehn deutschen Bundesländern anstellte, war die Zahl der Drogentoten im Freistaat mit 252 Opfern im zurückliegenden Jahr bereits zum dritten Mal in Folge höher als in allen anderen Bundesländern. Im direkten Vergleich zwischen 2011 - damals lag die Zahl bei 177 Toten - und 2014 registrierte Bayern sogar eine prozentuale Zunahme der drogeninduzierten Todesfälle um 41 Prozent. Gleichzeitig ging die Anzahl der Drogentoten in anderen Bundesländern in diesem Zeitraum zum Teil deutlich zurück. So sanken die Zahlen in Nordrhein-Westfalen in den letzten zwei Jahren beispielsweise um 14 Fälle.

Zur Lösung dieser Problematik hat die SPD im Bayerischen Landtag nun einen Antrag ins Plenum eingebracht, der die Staatsregierung auffordert, nach dem Vorbild anderer Länder den Weg für die Einrichtung von Drogenkonsumräume freizumachen. »Schwerstabhängige werden sich ihre Suchmittel so oder so zuführen«, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Kathrin Sonnenholzner. Sie plädierte vor diesem Hintergrund für die »Schaffung von Räumen, die gewisse Kontroll- und Sicherheitsstandards vorweisen und sauberes Besteck bieten«, um »zumindest das Infektionsrisiko von Krankheiten wie HIV oder Hepatitis« einzudämmen sowie die »Mortalitätsraten durch Überdosen« zu senken. Zudem könne im Umfeld solcher Drogenfreiräume - unterstützt von sozialpädagogisch und medizinisch ausgebildetem Fachpersonal - langfristig ein »geschützter Rahmen zur Kommunikation und zum Beziehungsaufbau entstehen«, der die Basis für weiterführende Hilfen wie eine Drogenersatztherapie bieten könne, argumentiert die Partei in ihrem Antrag.

Bayerns Innenministerium hält die Etablierung von Drogenkonsumräumen hingegen für einen »völligen Irrweg«. Ministeriumssprecher Michael Siefener erklärte auf Anfrage des »nd«: »Anstatt Drogenabhängigen das Ausleben ihrer selbstzerstörerischen Sucht zu erleichtern, müssen wir sinnvolle Wege aus der Drogensucht finden.« Dabei setze die Staatsregierung neben einem umfangreichen Therapieangebot vor allem darauf, »Drogenszenen bereits im Keim zu verhindern«. Denn: »Rechtsfreie Räume«, wie sie Freiräume für Schwerstabhängige darstellen würden, könnten in Bayern nicht geduldet werden.

Für die Medizinerin und Gesundheitsexpertin Sonnenholzner sind diese Aussagen wiederum »grober Unfug«, der »nicht von besonderer Sachkenntnis« zeuge. Schon der gesunde Menschenverstand mache die Vorteile von hygienisch kontrollierten Konsumräumen für Schwerstabhängige deutlich, kritisierte die Abgeordnete. Die Weigerung des Ministeriums, juristisch den Weg für entsprechende Konsumräume freizumachen, ist für sie deshalb auch »Ausdruck einer Drogenpolitik, die nur auf Repression und gerade nicht auf Hilfe setzt«. Doch ausschließlich mit repressiven Mitteln, warnt Sonnenholzner im Gespräch mit dem »nd«, könne der Kampf gegen drogeninduzierte Todesfällen nicht gewonnen werden.

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