nd-aktuell.de / 01.04.2015 / Politik / Seite 3

»Der Staat hält sich vornehm zurück«

Interview mit Ruth Ibarra Luque von der Menschenrechtsorganisation Derechos Humanos sin Fronteras über die Situation in Espinar

Im Juli 2012 wurde in Espinar ein Dialog zwischen Regierung, dem Bergbauunternehmen Glencore/Xstrata und der Zivilgesellschaft aufgenommen. Der zentrale Grund dafür waren die Proteste vom Mai 2012, wobei zwei Menschen starben und mehr als neunzig verletzt wurden. Die Demonstranten warfen dem Unternehmen die Kontaminierung von Wasserquellen vor, forderten eine höhere Gewinnbeteiligung und mehr Umweltschutz vom Unternehmen. Was hat der Dialog gebracht?

Ausgesprochen positiv ist, dass die Regierung die Proteste ernst genommen hat. Es hat noch nie in Peru einen Schlichtungsprozess gegeben, in den derart viele staatliche Organisationen eingebunden waren, deren Aufgabe es war, die Herkunft der Schwermetalle zu klären, die in Flüssen und Wasserquellen gefunden wurden. Der andere Aspekt ist die Partizipation der Zivilgesellschaft und die langfristige Stärkung von Strukturen auf lokaler Ebene - die Institutionalisierung. In Espinar gibt es zwar eine Bergbautradition, aber keine Tradition von regulierenden staatlichen Institutionen, die dem Bergbau oder besser dem Unternehmen auf die Finger schauen. Die Gesprächsrunde hat diesbezüglich für Initiativen gesorgt.

Von der Regierung in Lima wird der Dialog als Modell für andere Regionen mit Bergbaukonflikten favorisiert. Mit Recht?

Ich sehe da keinen Modellcharakter, da es nicht geschafft wurde, die zen- tralen Probleme, die Ursachen des Konflikts zu lösen. Man hat zwar Wasser-, Boden- Luft- und auch Urinproben genommen, aber bis heute können die staatlichen Institutionen der Bevölkerung nicht gegenübertreten und sagen: Wir haben das Problem der Kontaminierung beseitigt. Es ist unstrittig, dass es eine Kontaminierung gibt, dass Tiere mit Deformationen zur Welt kamen, aber bis heute sind die Ursachen nicht geklärt und es sind keine Lösungen gefunden.

Die andere zentrale Forderung der Demonstranten war eine höhere Beteiligung der Region an den Gewinnen des Unternehmens?

Ja genau, aber da hat sich der Staat vornehm zurückgehalten und darauf verwiesen, dass die Stadtverwaltung, die Gemeinden direkt mit dem Unternehmen verhandeln sollten. Druck vonseiten der Regierung wäre aber nötig gewesen, um da Fortschritte zu erzielen.

Wie stand es um die Transparenz? Gab es die Möglichkeit an dem Dialog teilzunehmen?

Eigentlich nicht, denn es wurden sehr viele technische Details besprochen, unter Experten, denen die Bevölkerung nicht folgen konnte. Zudem fanden die Gespräche in Spanisch statt und nicht in Quechua, der Sprache der Mehrheit der Bevölkerung. Das ist ein zentrales Defizit des Dialogprozesses, denn so war es für große Teile der Bevölkerung nicht möglich, dem Dialog zu folgen.

Ich habe mit Oscar Delgado, einem leitenden Vertreter von Glencore/Xstara gesprochen. Der hat behauptet, dass die Mine nicht für die Kontaminierung des Flusses Salado verantwortlich sei. Das habe natürliche Ursachen. Was halten Sie von dieser Darstellung - ihre Organisation hat doch auch Wasserproben zur Analyse eingereicht?

Ein elementares Problem der Untersuchungen ist, dass sie eben nicht angeben, woher die Kontaminierung kommt, wo die Ursachen der Verunreinigung liegen. Es wird klar benannt, dass 53 Prozent der Wasserquellen kontaminiert sind und auch wodurch und wie stark, aber eben nicht woher. Das ist ein Defizit, welches sich auch in den Berichten des Umweltministeriums wiederholen. Die Studien zur Herkunft der Kontaminierung sind auch heute noch nicht abgeschlossen und deshalb lassen sich die Ergebnisse bisher so oder so interpretieren. Das ist legitim und wird vonseiten des Unternehmens genauso wie vonseiten der Zivilgesellschaft praktiziert.