Stress und Niedriglohn machen krank

In Callcentern und in der Altenpflege sind Fehlzeiten durch psychische Belastungen besonders hoch

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die AOK hat die Daten ihrer elf Millionen versicherten Arbeitnehmer analysiert. Daraus geht hervor, dass bestimmte Berufe häufiger zu Krankschreibungen führen.

Wer im Call-Center arbeitet, muss starke Nerven haben. Etwa beim Umgang mit gereizten Kunden, die ihren Frust oft an den Mitarbeitern in den Telefonzentralen auslassen. Zudem werden in der Branche extrem niedrige Löhne gezahlt. Dies hat Folgen für die Betroffenen. So zeigt eine aktuelle Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK-Krankenkasse, dass die Fehlzeiten aufgrund von psychischen Belastungen in deutschen Call-Centern besonders hoch sind.

Doch nicht nur dort leiden die Angestellten unter den widrigen Arbeitsbedingungen. Auch in der Altenpflege haben überdurchschnittlich viele Arbeitnehmer psychische Probleme. Zwar geht die AOK nicht auf die Ursachen der Belastungen ein, doch seit Jahren klagen Angestellte und Gewerkschaften über die gestiegene Arbeitsbelastung in der Branche. Bereits 1999 warnte die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW): »Die Arbeitsbedingungen in der Altenpflege führen zu immer größeren physischen und psychischen Belastungen bei den Pflegenden. Darunter leidet zwangsläufig die Qualität der Pflege.« Zumal die Angestellten oft kaum genug zum Leben verdienen. So kommt eine Berufsanfängerin nicht einmal auf 1800 Euro brutto. Das schlägt natürlich aufs Gemüt.

Am weitesteten verbreitet unter Angestellten sind dabei »neurotische, belastungs- und somatoforme Störungen«, also etwa Angstzustände, so die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung. Häufig sind ebenfalls Depressionen und diverse Suchtprobleme.

Die Autoren der AOK-Untersuchung fassen die Ergebnisse so zusammen: »Die Art der ausgeübten Tätigkeit hat erheblichen Einfluss auf das Ausmaß und die Häufigkeit der Fehlzeiten als auch auf die Art der Erkrankung«. Bei den einen sind es psychische Probleme, bei den anderen Muskel-Skelett-Erkrankungen.

Mit mehr als 30 Fehltagen im Jahr 2014 sind demnach Berufsgruppen aus den Bereichen Ver- und Entsorgung besonders anfällig. Dazu zählen etwa Müllwerker oder Rohrleitungsbauer »mit hohen körperlichen Arbeitsbelastungen und überdurchschnittlich vielen Arbeitsunfällen«, so das AOK-Institut. Wobei man auch hier den psychologischen Faktor nicht außer acht lassen sollte. So konstatiert die Böckler-Stiftung: »Auch Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems, Kreislauf- sowie Magen- und Darmerkrankungen können die Folge psychisch belastender Arbeitsbedingungen sein«.

Insgesamt gilt: Mit 30,9 Fehltagen liegen diese Berufsgruppen weit über dem Durchschnitt der bei der AOK versicherten Arbeitnehmer. Im Jahr 2014 lag hier die Fehlzeit aufgrund einer ärztlichen Krankschreibung bei 18,9 Tagen. Die große Ausnahme bilden hier die akademischen Berufe. In der Hochschullehre und -forschung zählte die AOK durchschnittlich nur 3,9 Fehltagen. »Auch Ärzte, Berufe in der Softwareentwicklung sowie in der technischen Forschung und Entwicklung weisen deutlich unterdurchschnittliche krankheitsbedingte Fehlzeiten auf.«

Der stellvertretende Geschäftsführer des AOK-Instituts, Helmut Schröder, resümiert: »Bildung scheint ein wesentlicher Einflussfaktor für die Gesundheit zu sein. Besser gebildete Beschäftigte verhalten sich in der Regel gesundheitsbewusster«. Das auch die Höhe des Einkommens einen großen Einfluss auf die Gesundheit hat, ließ Schröder unerwähnt.

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