Verhandlungsmarathon in Lausanne

Trotz Einigkeit »im Grundsatz« dauern Gespräche über Irans Atomprogramm nach Fristablauf an

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Fristablauf in der Nacht zum Mittwoch ist das Ringen um ein bahnbrechendes Atomabkommen mit Iran in eine ungewisse Verlängerung gegangen.

Die schweizerische Konferenzstadt erlebte am Mittwoch weitere intensive Beratungen über das iranische Atomprogramm. Die Außenminister der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder - China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA - sowie Deutschlands und die Islamische Republik Iran verbreiteten gedämpft optimistische Stimmung. Auf den Kern reduziert lässt sich die Streitfrage so darstellen: Wie kann Iran zu einer friedlichen Nutzung des Atoms gelangen, beispielsweise und vor allem zur Produktion von Kernenergie, und gleichzeitig die Fähigkeit zur Herstellung von atomaren Waffen ausgeschlossen werden?

Die westlichen Staaten unterstellen, dass Iran unter dem Deckmantel friedlicher Atomnutzung »nach der Bombe« strebt. Teheran bestreitet das und erklärt, keinerlei Kernwaffen herstellen zu wollen. Weil Iran weder unter dem aktuellen Präsidenten Hassan Ruhani noch seinen beiden Vorgängern auf das völkerrechtlich legitime Recht auf friedliche atomare Technik zu verzichten bereit war, steht das Land seit Jahren unter Embargomaßnahmen, die die Bevölkerung und die Volkswirtschaft inzwischen erheblich schädigen.

Wo ist da der Ausweg? Die Krux: Eine perfekte Lösung gibt es nicht. Wer immer zivile Atomtechnik nutzt, hat auch die potenzielle Möglichkeit, Bomben zu bauen. Dennoch ist die Stimmung, die von allen beteiligten Seiten verbreitet wird, verhalten optimistisch - bei aller diplomatischen Zurückhaltung. Am Mittwochnachmittag standen die Zeichen noch immer auf eine gemeinsame diplomatische Erklärung. Aber, so Irans Chefunterhändler Abbas Araktschi im Live-Interview mit dem iranischen Fernsehen, »es kann kein umfassendes Abkommen geben, solange nicht alle Probleme gelöst sind«. Alle Probleme - das sind für Iran vor allem die Sanktionen. Araktschi präzisierte laut AFP: Eine Einigung sei nicht möglich »ohne einen Rahmen für die Aufhebung sämtlicher gegen Teheran verhängten Sanktionen«.

Irans geistlicher Führer Ayatollah Ali Chamenei, damit auch der ranghöchste Staatsmann, hat mehrfach unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass jegliche substanzielle Einschränkung des Atomprogramms nur denkbar sei, wenn es im Gegenzug eine ebenso deutliche Reduzierung bei den Sanktionen gebe. Sergej Lawrow, Außenminister Russlands, das die Sanktionen nur zögernd und nur zum Teil mitmacht, erklärte dazu, die Sanktionen könnten ausschließlich von denen zurückgenommen werden, die sie auch verhängt haben.

Damit sind die USA als besonders in Sachen Iran tonangebende westliche Macht gefordert. Präsident Barack Obama ist bisher nach eigenen Worten zur »schrittweisen« Aufhebung der Strafmaßnahmen bereit. Die Rhetorik seines Vorgängers George Bush jun. von Iran als eines »bösen«, eines »Schurkenstaates« hat er ohnehin nie benutzt. Doch seine Amtszeit läuft bald aus und die übermächtige republikanische Opposition im Kongress droht, seine Verhandlungsfortschritte gegenüber Iran zunichte zu machen.

Angefeuert werden die Falken um Hardliner John McCain von Benjamin Netanjahu. Obwohl Israel selbst über Kernwaffen verfügt und sich weigert, diese zu deklarieren, verlangt Israels Ministerpräsident seit Jahren einen militärischen Angriff, auf Iran, weil es Israel nuklear bedrohe. Auch am Mittwoch. Netanjahu forderte »weniger Kompromissbereitschaft des Westens«. Die Angebote, die in Lausanne auf dem Tisch lägen, würden »Israel, den Nahen Osten und den Weltfrieden gefährden«.

Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif zeigte sich dennoch optimistisch, dass bald mit der Verschriftlichung des Abkommens begonnen werden könne.

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