nd-aktuell.de / 04.04.2015 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 8

Aktien für Bio

Öko-Landwirte suchen Eigenkapital. Droht nun ein neuer Fall »Prokon«?

Hermannus Pfeiffer
Eine neue »Regionalwert AG« sammelt seit kurzem Millionen Euro ein, um die ökologische Landwirtschaft zu puschen.

Ulf Schönheims Ziele sind ehrgeizig: »Wir wollen die Land- und Lebensmittelwirtschaft in der Region auf gesunde Füße stellen.« Dazu sucht die Regionalwert AG Hamburg »Bürger-Aktionäre«. Die Aktiengesellschaft will bis zu fünf Millionen Euro einsammeln und in Norddeutschland investieren. Damit soll ein regionaler Bioverbund »vom Acker bis zum Teller« finanziert werden, »vom Bauernhof bis zum Einzelhändler«, erklärt Vorstand Schönheim.

Es müsse Schluss sein mit Schuldzuweisungen, so Schönheim: »Der Verbraucher zeigt mit dem Finger auf die Landwirte und die Lebensmittelbranche. Die Landwirte beschweren sich über den Handel, der die Preise drückt. Und der Handel sagt, der Verbraucher will es aber billig.« Im Regionalwert-Verbund hätten alle dieselben Interessen - vom Aktionär bis zum Verbraucher. Außerdem bleibe das Geld in der Region.

»Regional« findet auch Biobauer Klaus auf einem Hamburger Wochenmarkt wichtig. Allerdings benötige man dazu keine Aktiengesellschaft. »Wir haben vom Anbau bis zum Vertrieb über befreundete Händler und eigene Stände auf einem halben Dutzend Wochenmärkten unser eigenes Netzwerk.« Und ob die Regionalwerter dem »rauen Wind der Globalisierung« entgehen werden, wie Schönheim hofft, bleibt abzuwarten.

Es besteht durchaus Bedarf für neue Finanzierungsmodelle: Die deutschen Haushalte gaben nach Berechnungen des Arbeitskreises Biomarkt im vergangenen Jahr fast acht Milliarden Euro für Biolebensmittel aus. 4,8 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Zwar hat »Bio« selbst Discounter schon erobert: Aldi Nord vergrößert gerade sein Ökosortiment auf mehr als 50 Artikel. Aber der Öko-Landbau in Deutschland stagniert. Immer mehr »Bio« wird aus der Türkei, Lateinamerika und China importiert.

Die Hamburger Regionalwert ist die dritte Aktiengesellschaft unter dem Regionalwert-Dach. Zu den Gründern zählt die alteingesessene Hamburger Drogeriekette Budnikowsky. Bislang vertreibt »Budni«, wie das Familienunternehmen in Hamburg liebevoll genannt wird, vor allem Lebensmittel von Alnatura aus dem hessischen Bickenbach.

Die Idee stammt aus der Region Freiburg. Dort gründete der Demeter-Gärtnermeister und Buchautor Christian Hiß (»Regionalwert AG - Mit Bürgeraktien die regionale Ökonomie stärken«, Herder-Verlag) 2006 die erste Regionalwert AG. Derzeit profitieren davon 17 Unternehmen, darunter zehn Neugründungen. Doch die 500 Aktionäre haben bislang keine Dividende gesehen.

Eine dritte Regionalwertfirma arbeitet in Bayern. Hiß hofft auf weitere »überregionale Synergien«, beispielsweise beim Erstellen von Wertpapierprospekten und Öffentlichkeitsarbeit. Rechtlich sind die Regionalwert-AGs eigene Gesellschaften. Ende März will eine Gruppe um den Breuner Hof in Lindlar im Rheinland eine vierte Regionalwert AG gründen.

»Wir brauchen solche Projekte«, lobt Uli Zerger. Ein Grund seien die rasant steigenden Bodenpreise. Finanzmärkte und Biogasbetreiber haben sie in den vergangenen Jahren in die Höhe getrieben. So hoch, dass sie »oft in einer Generation nicht mehr erwirtschaftet werden können«, mahnt der geschäftsführende Vorstand der Stiftung Ökologie & Landbau in Bad Dürkheim. Außerdem könne eine nachhaltige Beteiligung durch Aktionäre eine Nachfolgeregelung vorbereiten - jedem zweiten Biohof fehle heute ein Erbe.

Die stärkeren Bankenregulierungen erschweren es Neugründungen, Erweiterungen und auch Nachfolgern, Kredite zu bekommen. Fördermittel aus EU und Ländern reichen oft nur aus, um den Renditevorsprung der konventionellen Landwirtschaft auszugleichen. Daher brauche es neue Formen des Eigenkapitals, so Zerger. Und Regionalwert gehe schließlich sogar in die Mitverantwortung.

Super-Geldrenditen werden den Agrar-Anlegern, anders als einst vom Energieunternehmen Prokon, nicht versprochen. Trotzdem bleiben Aktien grundsätzlich riskant. Zergers Fazit für Interessierte: »Jeder muss sich selbst entscheiden, ob er Regionalwert für zukunftsträchtig hält.«