Ein muslimischer Friedhof ist ein Signal

Bürgerplattform fordert Ruhestätte im Zentrum der Stadt, um integrationspolitische Botschaft zu senden

  • Lesedauer: 4 Min.

Herr Taouil, Ihre Bürgerplattform setzt sich für die Schaffung eines muslimischen Friedhofs in Neukölln ein. Bislang gibt es in Berlin neben der aus dem Jahr 1866 stammenden historischen Ruhestätte für Muslime an der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm nur einen weiteren muslimischen Friedhof in Gatow. Warum ist es wichtig, dass Muslime in der Nähe Ihres Wohnortes bestattet werden können?

Es gibt viele gute Gründe. Zum einen wollen die Angehörigen ihre Verstorbenen am Grab besuchen, ohne dafür vorher durch die halbe Stadt fahren zu müssen. Das kostet Zeit und nicht jeder hat ein eigenes Auto. Hinzu kommt, dass der Friedhof für Muslime in Gatow schon fast bis zur Hälfte ausgelastet ist und eine neue Fläche dringend benötigt wird. Zum anderen ist ein muslimischer Friedhof in Berlins Zentrum eine wichtige Integrationsleistung und ein Signal von uns Muslimen: Wir sind Teil der Gesellschaft.

Ist Neukölln als Bezirk mit einer hohen Zahl von muslimisch geprägten Einwohnern als Standort für einen Friedhof prädestiniert?

Neukölln ist sehr zentral gelegen. Von Wedding und Kreuzberg ist es nicht weit. In allen drei Stadtteilen wohnen viele Muslime. Der Friedhof soll ein Friedhof für alle Berliner Muslime werden.

Lassen sich heute mehr Berliner muslimischen Glaubens in der Stadt bestatten als früher?

In jedem Fall. Es sind deutlich mehr als noch vor einigen Jahren. Vor allem die jungen Leute aus der dritten und vierten Generation wollen in ihrer Heimat Deutschland beziehungsweise Berlin beerdigt werden. Während die Überführung von Leichnamen in der ersten Einwandergeneration noch populär war, haben die Kinder und Kindeskinder kaum noch einen engen Bezug zu den Ursprungsländern. Ich zum Beispiel sehe mich als Libanesen mit deutscher Staatsangehörigkeit und starker Bindung zu Deutschland. Meine Kinder verstehen sich durch und durch als Deutsche und Berliner. Das Prozedere der Überführung ist zudem langwierig und kostspielig.

Der Friedhof an der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm befindet sich doch in Neukölln. Könnte dieser bestehende Friedhof nicht einfach ausgebaut werden, beispielsweise auf das nahe gelegene Tempelhofer Feld?

Das ist leider keine Option mehr. Der Volksentscheid zur Zukunft des Tempelhofer Feldes hat einen Ausbau unmöglich gemacht. Die Gelder hierfür waren sogar schon beim Bezirksamt hinterlegt worden. Ich glaube, den Initiativen, die sich für 100 Prozent Tempelhofer Feld stark gemacht haben, war das Problem des Friedhofs gar nicht bewusst. Eine Kommunikation fand bedauerlicherweise auch nicht statt.

Gibt es denn nicht trotz des Votums eine Möglichkeit, das bestehende Areal dort zu erweitern?

Momentan finden diesbezüglich keine Gespräche statt. Vielleicht ergibt sich das in ein paar Jahren noch mal. Beerdigungen wird es dort in absehbarer Zeit jedenfalls nicht wieder geben.

Haben Sie bereits ein mögliches neues Areal in Neukölln im Blick?

Allerdings. Die evangelische St. Jacobi Kirche hat uns eine 1,5 Hektar große Fläche an der Hermannstraße angeboten. Bezirk und Senat zeigen sich auch grundsätzlich einverstanden. Die Streitfrage ist nur, ob die Fläche gepachtet oder gekauft wird und wer den Friedhof zukünftig unterhalten soll. Da die Berliner Muslime, anders als die jüdische Gemeinde, keine Dachorganisation haben, können sie den Betrieb vorerst nicht selber übernehmen. Im Laufe der Zeit soll dann aber ein Trägerverein gegründet werden. Letztlich wird wohl der Senat entscheiden. Schließlich geht es hier um eine gesamtstädtische Angelegenheit.

Der Regierende Bürgermeister, Michael Müller (SPD), hat sich bereits in seiner einstigen Funktion als Stadtentwicklungssenator um die Errichtung eines zentralen muslimischen Friedhofs bemüht. Glauben Sie an eine zeitnahe Lösung?

Ich bin da sehr zuversichtlich. Auch als Regierender Bürgermeister hat Michael Müller seine Unterstützung signalisiert. Das Areal der St. Jacobi Gemeinde will er ernsthaft prüfen lassen. Läuft alles gut, könnte ein Friedhof schon nächstes Jahr eröffnen. Der Spielball liegt jetzt bei der Politik. Als Bürgerplattform haben wir unseren Teil beigetragen. Wir sind nun gespannt, wie die nächsten konkreten Schritte aussehen werden.

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