Bundesregierung in Verlegenheit

Greenwald: USA drohten im Falle eines Asyls für Snowden, Innenministerium dementiert

  • Fabian Köhler
  • Lesedauer: 3 Min.
Haben die USA der Bundesregierung mit einem Ende der Geheimdienstzusammenarbeit gedroht, sollte Edward Snowden Asyl erhalten? Ja, sagt US-Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald.

Es ist nicht so, dass man der Bundesregierung ein solches Verhalten nicht auch ohne äußeren Druck zutrauen würde: Seit den ersten Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienstlers Edward Snowden haben Vertreter der Bundesregierung immer wieder bekräftigt, dass ein Asylgesuch des Whistleblowers keinerlei Erfolgsaussicht hätte. Gegen allen öffentlichen Druck. Und obwohl Snowden in den USA wohl die Todesstrafe oder zumindest ein Leben in Isolationshaft drohen würde.

Trotzdem, so machte es zumindest US-Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald kürzlich publik, sollen die USA bei der Entscheidung sicherheitshalber noch einmal nachgeholfen haben. So berichtete Greenwald auf seinem Enthüllungsportal »The Intercept«, die US-Regierung habe Deutschland mit dem Entzug von Geheimdienstinformationen gedroht, sollte Snowden in Deutschland Zuflucht gewährt werden. Seine vorgebliche Quelle: niemand Geringeres als Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Der SPD-Politiker habe ihm im Rahmen einer Preisverleihung persönlich von »aggressiven« Drohungen berichtet.

Die Fraktion der Grünen im Bundestag hatte daraufhin beim Bundeswirtschaftsministerium angefragt, ob das wirklich so war - und nun Antwort erhalten. Überraschend ist erst einmal der Beantworter des Schreibens. Statt des Wirtschaftsministeriums antwortete das Innenministerium am Montag: Eine US-Drohung habe es im Zusammenhang mit der Frage nach Asyl nicht gegeben: »Die in der Frage angesprochene Drohung wurde gegenüber der Bundesregierung nicht erklärt.«

Interessanter noch ist, dass das Innenministerium ohne Not auf die Beantwortung einer weiteren Anfrage der Linksfraktion im Bundestag verweist. In dem Schreiben vom 2. Mai 2014 erwähnt die Bundesregierung nämlich selbst mögliche Konsequenzen durch die USA: »Im Falle einer Vernehmung von Herrn Snowden in Deutschland muss konkret damit gerechnet werden, dass die US-Regierung ihre Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheitsbehörden zumindest vorübergehend einschränkt.« Und weiter: »Dies könnte insbesondere den Austausch von nachrichtendienstlichen Informationen mit US-Diensten betreffen, der jedoch für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland von grundlegender Bedeutung und daher unverzichtbar ist.«

Zusammengefasst heißt das: Laut Bundesregierung haben die USA zwar nicht mit einer Einschränkung der Geheimdienstarbeit gedroht. In der Praxis handelt die Bundesregierung aber trotzdem so, als hätte es solch eine Drohung gegeben.

»Schlicht bizarr«, findet der Obmann der Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss, Konstantin von Notz, die Antwort deshalb und bezeichnet »das ganze Rumgeeiere der Bundesregierung im Allgemeinen und des Vizekanzlers im Speziellen« als »einfach peinlich«: »Selbstreferenziell verweist die Bundesregierung, die zunächst - sehr konkret - feststellt, es habe keine entsprechende Drohung der US-Seite gegenüber der Bundesrepublik gegeben und damit den eigenen Vizekanzler düpiert, auf eine eigene, knapp ein Jahr alte ›Einschätzung‹, die wiederum zu dem Ergebnis kommt, dass ›konkret‹ mit der Aufkündigung der Zusammenarbeit gerechnet werden müsse, um dann erneut - diesmal reichlich unkonkret - darüber zu sinnieren, welche Bereiche hiervon betroffen sein könnten.«

Noch bizarrer wird es, schaut man sich an, was Vertreter der US-Regierung zu der Sache zu sagen haben. In einem Artikel in der »Welt« widerspricht ein hoher US-Regierungsbeamter explizit jeglichen Drohungen und bezeichnet die Vorstellung, man würde die Informationsaustausch einschränken, als »haltlos«. Man wird also wohl auf die nächste Enthüllung Greenwalds warten müssen, um zu erfahren, vor welchem US-Vertreter die Bundesregierung nun Angst hat. Oder ist es vielleicht doch nur die eigene Courage?

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