Futter für den Esel im All

Neues von Keimzeit

  • Stefan Gebhardt
  • Lesedauer: 2 Min.

Für Keimzeit-Fans gibt es einen triftigen Grund, diverse Luftsprünge zu machen. Das elfte Studioalbum der Band ist im März erschienen und trägt den originellen Titel »Auf einem Esel ins All«. Wer dahinter etwas Störrisches vermutet, liegt grundverkehrt. Denn der Sound und der Stil der Brandenburger Band klingt so frisch und unverbraucht wie schon lange nicht mehr. »Großmutter findet ihre Zigaretten nicht / ja dann gib ihr doch eine von dir / wir wissen beide, dass sie trickst / mit ihrem alkoholfreien Bier« - schon die ersten Zeilen des Titelsongs wissen zu amüsieren.

Keimzeit-Texte wurden schon immer von den Fans aufgesaugt, um sie dann bei den Live-Konzerten aus voller Inbrunst mitzusingen. Bei der neuen CD dürfte dies spielerisch gelingen. In »Rohfassung« heißt es: »Dein Großvater blieb im Krieg, seine Frau hat noch mal geheiratet / dein Vater, den du verachtest, ist ihr Kind / taub und blind glauben wir mehr, als dass wir erkennen, woher wir kommen und wer wir sind«. So klingt die Keimzeitlyrik 2015. Musikalisch hat sich einiges seit dem Vorgängeralbum »Kolumbus« geändert. Am deutlichsten wird dies, wenn man sich die aktuelle Bandbesetzung anschaut. Hier sind mit Lin Dittmann an den Drums und Martin Weigel an der Gitarre neue Bandmitglieder am Start, die ihr musikalisches Handwerk erstklassig beherrschen. Keimzeit klingen jetzt so, wie sie vor vielen Jahren schon mal klangen: selbstbewusst und eingängig, dennoch hier und da kindlich verspielt. Man fühlt sich an die Hochzeit der Band erinnert, als mit »Bunte Scherben« und »Primeln und Elefanten« Alben für die Ewigkeit entstanden. Die großen Stärken jener alten Keimzeit-Jahre scheinen mit »Auf einem Esel ins All« tatsächlich wiederentdeckt. Das Technokratische, was in den jüngsten Studioalben hier und da durchschimmerte, wurde beiseitegewischt, um die alte Leichtigkeit wiederzuentdecken. Bei aller Umbesetzung, es gibt Konstanten: Der Kern der Band sind immer noch die Gebrüder Leisegang, Hartmut am Bass und Norbert als singender und Gitarre spielender Frontmann. Letzterer näselt immer noch so entspannt und unverkennbar wie eh und je. Auch Keyboarder Andreas »Spatz« Sperling zählt mittlerweile zu den Keimzeit-Urgesteinen, wobei er bei der neuen Platte erstmals als Produzent in Erscheinung tritt.

Keimzeit hat nun schon über 30 Jahre auf dem Buckel. Das neue Album macht deutlich, dass die Jungs noch lange nicht satt sind. Deren Energie ist beeindruckend, ihre Unbekümmertheit sucht ihresgleichen. Ganz so, als wäre der Esel im All bei seiner Futterstelle angekommen.

Keimzeit: Auf einem Esel im All (Comic Helden/Edel)

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