nd-aktuell.de / 11.04.2015 / Kommentare / Seite 53

Das vergisst man nicht

Über transformatives Organisieren, das kooperative Puzzle einer gesellschaftlichen Partei - und eine LINKE, wie sie im Jahr 2030 sein könnte

Christina Kaindl

Vorbemerkung

Als ich mit gerade 20 Jahren von meiner Bank einbestellt wurde, war ich nervös. War etwas mit meinem Konto nicht in Ordnung? Die Bankangestellten erklärten mir, dass das Rentensystem in soundso viel Jahren zusammenbrechen würde und ich dringend eine private Altersvorsorge abschließen müsste. Ich war baff und erleichtert, und konnte gar nicht richtig zuhören, es war also alles in Ordnung: Wenn ich in Rente gehe, leben wir längst im Sozialismus, erklärte ich den Bankangestellten. Im Jahr 2030 hätten der Sozialismus und ich dann noch sieben Jahre Zeit. Bei allem Optimismus des Willens gehe ich hilfsweise davon aus, dass DIE LINKE dann weiterhin benötigt wird für die Transformation einer wie immer gestalteten kapitalistischen Gesellschaft...

Das Jahr 2030

DIE LINKE gibt es noch. In den letzten 15 Jahren hat sie sich stärker aufstellen können, ist gut verankert und hat sich erneuert. Sie ist lebendig mit Initiativen, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen verbunden. Sie hat neue Formen gefunden, Menschen zu erreichen, die sich vom politischen Geschehen abgehängt fühlten. Sie hat ihre Kommunikation erweitert: Sie nutzt neue Plattformen und soziale Netzwerke, um viele Menschen an Entscheidungen teilhaben zu lassen. Es gibt Kulturveranstaltungen, Filmvorführungen, gemeinsame Diskussionen, Bildungsveranstaltungen - auch einen Austausch mit Musik, Bier, Wein und Limonade. All dies richtete eine linke Alltagskultur auf. Auf den Webseiten der Kreisverbände kann man sich auch zum Theater oder Rockkonzert verabreden. In den letzten zehn Jahren hat die LINKE einen eigenen Radio- und Internet-TV-Sender geschaffen, ihre Stimme wird seitdem in den Medien besser gehört.

Mit Beginn des 21. Jahrhunderts hatte sich die soziale Ausgrenzung vieler Menschen zu einer klassenspezifischen Demobilisierung verhärtet: Je ärmer die Menschen waren, desto weniger beteiligten sie sich an Wahlen. Nicht zu Unrecht: Die großen Parteien, damals CDU und SPD, hatten sie systematisch aus den Wahlprogrammen herausgeschrieben. DIE LINKE war durch die Außenseiter-Rolle auf der bundespolitischen Ebene einerseits und die eingeschränkten landespolitischen Spielräume andererseits nur begrenzt in der Lage, andere Erfahrungen zu vermitteln. Immerhin: Sie hatte ihren stärksten Rückhalt immer bei den Menschen mit geringem Einkommen. Die relativ stabilen »Prozente« bedeuteten nicht, dass eine langfristige Bindung der Menschen an die LINKE gelungen war, aber es konnten immer wieder »neue« hinzugewonnen werden.

DIE LINKE reagierte auf verschiedenen strategischen Ebenen: Sie entwickelte in sozialen Brennpunkten Projekte zur gemeinsamen (Selbst-)Organisierung. Den Erfahrungen von fremdbestimmter und individualisierter »Aktivierung« durch die Jobcenter konnten Erfahrungen gemeinsamer Handlungsfähigkeit entgegengestellt werden: mobile Räume zur Begegnung wurden geschaffen, Kunst- und Theaterprojekte, die die Erfahrungen aus dem Alltag aufnahmen und in die Öffentlichkeit brachten. Menschen, über die sonst in den Medien nur gesprochen wurden (meist negativ), schrieben ihre Geschichte selbst (auf). Alltagssorgen, Kindererziehung, Probleme der Nachbarschaft wurden besprochen. Die mobilen Räume wurden auch genutzt, um Strategien zu beraten, gemeinsame Aktionen zu planen. Ein Bildungsprogramm wurde entwickelt. Dort ging es um Sozialpolitik und linke Geschichte, um Grundlagen des Kapitalismus wie die Beschwerdeverfahren gegen die Arbeitsagentur, um Fähigkeiten und Fertigkeiten wie Redeleitung, Kampagnenplanung, Transparente machen, Medienarbeit.

Lange hatte man - auch unter Linken - gedacht, dass die (Selbst-)Organisierung von Menschen in sozialen Brennpunkten zu schwierig sei, dass sie sich das selbst nicht zutrauten oder nicht gut genug sortiert wären. Doch es stellt sich als falsch heraus. Der Anstoß wurde auf der »Linken Woche der Zukunft« 2015 gegeben. In den nächsten Jahren entstand eine linke Akademie für transformatives Organisieren. Sie bildete Multiplikatoren aus Partei und sozialen Bewegungen aus. In fast allen Wohngebieten konnten Aktive gefunden werden, die »etwas tun« wollten. Kleine kampagnenförmige Aktionen wurden gemeinsam entwickelt. Sie machten Spaß und drehten sich um Forderungen, die gewonnen werden konnten.

Auch Auseinandersetzungen, die zunächst nicht gewonnen werden konnten, die aber gemeinsam geplant, durchgeführt und durchgestanden wurden, waren nicht einfach Rückschläge. Sie waren Lernbewegungen über gesellschaftliche Machtverhältnisse und Solidarität. Auch sie konnten Mut machen. Und sie haben die Frage auf die Tagesordnung gesetzt, wie breitere Bündnisse aussehen könnten. Um was gestritten wurde? Um kostenfreien und umweltschonenden öffentlichen Verkehr, um bezahlbaren Wohnraum für alle, freien Zugang und gute Ausstattung der Bibliotheken, Schwimmbäder, Kulturveranstaltungen. Das waren die ersten Themen, um die sich gemeinsame Kampagnen quer durch die Städte entwickelten. Sie bildeten die Grundlage für den Umbau des öffentlichen Raums. Der Druck kam von den Rändern und aus der Mitte; er drückte vor allem auf die Ergebnisse von SPD und Grünen, die auf die neuen Bündnisse nicht eingestellt waren. Beide Parteien verloren bei den Wahlen erheblich an die LINKE.

Mit der Zeit haben sich die mobilen Räume weiterentwickelt. Sie sind jetzt - im Jahr 2030 - vernetzt, Ideen und Erfahrungen werden ausgetauscht. Was die LINKE in die Parlamente in Bund und Land und in Kommunalvertretungen einbringen soll, wird dort live und auf den Vernetzungsplattformen im Internet diskutiert. Die Kräfteverhältnisse, Konzepte der Gegenseite und die Ergebnisse werden gemeinsam ausgewertet. Demokratie ist nicht mehr die Sache von »denen da oben«.

Inhaltlich stellte DIE LINKE die gemeinsamen Interessen von Erwerbslosen, Prekären und Beschäftigten in den Mittelpunkt: den Kampf gegen Niedriglohn, Ent-Sicherung der Beschäftigungsverhältnisse und gegen das Angst-Regime, von Hartz IV, gegen Zumutbarkeit und Sanktionen. Wo die damalige Regierungskoalition behauptete, »die« gesellschaftliche Mitte zu vertreten, konnte DIE LINKE zeigen, wo tatsächlich gemeinsame Interessen lagen: Wenn hohe Einkommen und Vermögende (höchstens der obere Rand der »Mitte«) stärker besteuert würden, könnte die öffentliche Daseinsvorsorge verbessert werden. Die Löhne und Gehälter könnten steigen, die Versorgung für alle verbessert werden. Private Zuzahlungen - bei der Krankenversicherung wie beim privaten Unterricht, Fitnessstudio, Brillen, Zahnersatz, Mobilität - würden entfallen. Die materiellen Grundlagen würden geschaffen, um das Öffentliche als sozialen Raum und Voraussetzung der Fähigkeiten und Vorlieben für alle zu erleben.

Mit dieser positiven Vision des Öffentlichen konnte DIE LINKE ihre soziale Basis verbreitern und festigen. Die SPD hatte sich bis zu ihrer letzten Regierungsbeteiligung hoffnungslos in der neoliberalen Politik von Austerität und Wettbewerb verstrickt. Die taktischen Nachbesserungen an der Agenda-Politik konnten die gesellschaftlichen Spaltungen nur wenig mildern. Gerade die Frauen spürten den Druck: alleingelassen mit der Pflege von Angehörigen, in unterbezahlten Jobs in Dienstleistungsbereich und im Sozialen. Die Perspektive von massenhafter Altersarmut, eine Gesundheitsversorgung, die zentrale Bedarfe nicht decken konnte, explodierende Mieten - an vielen Stellen spürten die Menschen, dass es so nicht weitergehen konnte.

Was lange wie Zustimmung und Zufriedenheit für die Regierungspolitik ausgesehen hatte, wurde immer mehr als Mangel an Alternativen sichtbar. Selbst die unendlich scheinende Leidensfähigkeit vieler sozialdemokratischen Wählerinnen und Wähler war an eine Grenze gekommen. Die Unterstützung für die SPD bei ver.di nahm rapide ab. In den 2020er Jahren ging durch die Digitalisierung die Zahl der industriellen Facharbeiter stark zurück. Eine Zeit lang versuchte die IG Metall dem Mitgliederschwund zu begegnen, indem sie ihren Organisierungsbereich in Konkurrenz zu ver.di ausweitete.

Spätestens als viele Beschäftigte der Metallindustrie in einen Solidaritätsstreik mit einer der ersten flächendeckenden Arbeitsniederlegungen der Beschäftigten in der öffentlichen Daseinsvorsorge traten, orientierte sich die IG Metall um. Ins Zentrum traten nun die internationalen Organisierungen entlang der Wertschöpfungsketten, strategisch konzentrierte man sich auf die Länder mit starken Linksregierungen. Mit dieser Doppelstrategie konnten Ausweichbewegungen des Kapitals beschränkt werden. Wo sie nicht verhindert werden konnten, ermöglichten Gewerkschaften und Linksregierung die Übernahme verlassener Produktionsstätten durch die Belegschaften; sie wurden Teil eines internationalen Netzwerkes solidarischer Ökonomie.

Durch Erfolge von Linksparteien in anderen europäischen Ländern war die Verpflichtung zu ausgeglichenen Handelsbilanzen in Europa durchgesetzt worden. Die deutsche Exportstrategie war an ihr Ende gekommen. Die Löhne in Deutschland stiegen. DIE LINKE konnte Druck machen für eine Konversion der Produktion unter Beteiligung der Beschäftigten. Die restriktive Steuerpolitik für hohe Vermögen, Einkommen und Profite in Europa ließ Spielräume entstehen, um die Arbeitszeit für die Beschäftigten zu verringern, ohne ihre Lebensqualität zu beschneiden. Automatisierung und Digitalisierung erwiesen sich so nicht als der Fluch, der unter neoliberaler Hegemonie befürchtet worden war. Von unschätzbarem Wert waren die vielen jungen Menschen, die von den Erfahrungen der Proteste gegen die Austeritätspolitik in Europa geprägt und zudem getrieben waren von der Vision der Produktion von Commons: Gütern, die niemandem gehören und allen zur Verfügung stehen, statt Waren, die über den Markt getauscht werden. Und sie setzten ihren politischen wissenschaftlichen Sachverstand ein, um Politik und Kommunikation demokratisch und attraktiv zu gestalten. Begonnen hatte auch dies vor 15 Jahren auf der »Linken Woche der Zukunft«.

In vielen großen Betrieben, Krankenhäusern und Verwaltungseinrichtungen - von Windkraftwerken, Krankenhäusern, Universitäten, über kommunale Energieunternehmen und den großen Produktionsstätten der neuen Mobilitätstechniken - haben sich linke Betriebsgruppen gebildet. Sie sind gemeinsam mit gewerkschaftlichen Gruppen aktiv. Sie verbinden die Themen und Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz mit politischen Perspektiven. Einmal im Monat halten die Betriebsgruppen ein offenes Treffen für alle Interessierten ab. Sie diskutieren fachpolitische Fragen, Probleme im Betrieb und große Utopien. Auch viele Menschen, die früher sozialdemokratisch orientiert waren, haben hier neue Perspektiven gefunden. Wie die Betriebsgruppen in anderen Branchen sind sie über eine Online-Plattform verbunden. Hier können sich auch Beschäftigte aus denselben Branchen einklinken, bei denen es keine Betriebsgruppen gibt. Sie laden zu politischen Diskussionen ein und stehen in enger Verbindung mit linken Fachpolitikern und dem Kreisverband. Sie entwickeln Fragen und Anforderungen an die LINKE im Parlament.

Besonders in Ländern mit starker LINKEN Regierungsbeteiligung ist in den letzten Jahren die Einrichtung von regionalen Sozial- und Wirtschaftsräten betrieben worden. Sie setzen sich zusammen aus Beschäftigten und ihren Organisationen, Bürgerinnen und Bürgern, Initiativen, sozialen Bewegungen und Parteien. Die Entscheidungen, wo öffentliche Gelder investiert werden und was produziert wird, werden gemeinsam getroffen. In einem starken Sektor der solidarischen Ökonomie konnten in Verbindung mit den Sozial- und Wirtschaftsräten die Löhne und Beschäftigungsformen verbessert werden. Die Verwaltungsräte der öffentlichen Unternehmen werden im Rotationsverfahren und durch Wahl besetzt. Sie sind denen Rechenschaft schuldig, deren Versorgung sie abdecken. Über die Online-Vernetzung können Probleme in Versorgung und Verwaltung jederzeit thematisiert werden. Die Wochenarbeitszeit ist im Schnitt auf 27 Stunden gesenkt worden. Die solidarischen und kommunalen Unternehmen sind Teil eines globalen Netzwerkes solidarischer Ökonomie, das fair produzierte und gehandelte Produkte zu sozialen Preisen bereitstellt.

DIE LINKE hat die Gründung von Belegschaftsbetrieben und Genossenschaften gefördert. Sie hat die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen geschaffen und kann durch ihre Verbindung in die Parlamente zwischen den Sozial- und Wirtschaftsräten und den Parlamenten vermitteln. Gemeinsam mit Bürgerinitiativen und Nicht-Regierungs-Organisation hat sie den Prozess organisiert, in dem die Menschen kompetent in der Planung von regionaler Entwicklung und der Leitung ihrer Genossenschaften wurden (Ausgangspunkt waren eine Reihe Diskussionen auf der »Linken Woche der Zukunft« 2015). Die Erfahrung von Selbstbestimmung in der Arbeit, das eigene Leben planen zu können, strahlt aus. Über die Betriebsgruppen wird sie auch in herkömmliche Unternehmen kommuniziert und diskutiert.

Diese Veränderungen waren nur möglich, weil die Demokratisierung des Öffentlichen, der Wirtschaft, des Alltags Teil einer Demokratisierung des Staates war. Mit einer starken LINKEN in den Parlamenten.

Es hatte einige Zeit gedauert, bis eine solche abgestimmte Praxis zwischen parlamentarischer Arbeit und Organisierung im Alltag entwickelt worden war. Die unfruchtbaren Gegenüberstellungen unterschiedlicher Strategien und Taktiken hat DIE LINKE seit über zehn Jahren hinter sich gelassen. Jahrelang waren die innerparteilichen Diskussionen dadurch gekennzeichnet, dass die Widersprüche der strategischen Situation auf unterschiedliche Strömungen und Akteure verteilt haben, zum Beispiel: Sollte die LINKEN ihre Politik auf Regierungsbündnisse ausrichten?

Sprecher A: Ja natürlich, die Wähler erwarten das von uns und Parteien müssen auch Gestaltungswillen zeigen, sonst werden sie nicht gewählt. Aus der Opposition lässt sich das in Grenzen auch erreichen, aber es entsteht kein Projekt, mit dem sich Menschen verbinden können. Sprecher B: Auf keinen Fall. Die Bilanz der linken Regierungsbeteiligungen zeigt deutlich, dass die Handlungsspielräume auch in der Regierung begrenzt sind, solange die globale neoliberale Hegemonie ungebrochen ist. Enttäuschungen der Wählerinnen und Wähler sind vorprogrammiert. Es muss darum gehen, Kräfteverhältnisse an der Basis zu verschieben, im Bündnis mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. (A: Welche Bewegungen?! B: Schau doch genauer hin!)

Der Streit schien unendlich, beide Seiten hatten Recht und Unrecht, und dass die Verhältnisse in Ost und West so unterschiedlich waren, hatte die Debatte nicht einfacher gemacht.

Bewegung kam in die Diskussion und in die LINKE, als die Frage neu gestellt wurde: Was sind Voraussetzungen, dass linke Regierungsbeteiligung nicht zur Schwächung der Linken führt, auch wenn es Bündnisregierungen sind? Welche zivilgesellschaftlichen Organisationen müssen gewonnen werden? Wie können Verbindungen zu anderen linken und sozialen Akteuren geschaffen werden, die die LINKE als Teil eines gemeinsamen Projektes verstehen, ohne in ihr aufzugehen? Die Frage der Kräfteverhältnisse ist mehr als eine bloßes Abbild von Bewegungen oder Menschen, die sich gemeinsam auf die Straße stellen.

Damit war die Öffnung und Demokratisierung der Partei verbunden. Wie können die Entscheidungen so gefällt werden, dass sie in der Partei und im Umfeld breit getragen werden? Problematische Kompromisse als Sachzwänge darzustellen oder abstrakte Forderungen und Aufrufe, was in Parlament und Regierung zu erreichen sei - beide Diskussionsformen ließen in dem Maße nach, wie die Verantwortlichkeit für die gefällten Entscheidungen stieg. Nicht nur in internen Runden, auch in offenen Foren mit Parteimitgliedern, Verbündeten und Interessierten wurden die Debatten geführt. Die Pläne wurden vorgelegt und konnten in Frage gestellt werden. Einwände und Alternativen wurden auf Konsequenzen befragt und durchgespielt. Die strategischen Fähigkeiten verbreiteten sich in der Partei. Die Wahlprogramme und Entscheidungen über parlamentarische Aktivitäten, mögliche Kompromisse wurden zum Gegenstand einer breiten Diskussion.

Auch hier war die neue Plattform der Online-Kommunikation hilfreich. Möglichst viele Menschen sollen in Entscheidungen einbezogen werden. Aber nicht alle wollen ihre Zeit mit Regionalkonferenzen und Planungssitzungen verbringen. Kollektive Entscheidungen sind nicht immer darauf angewiesen, dass alle im gleichen Raum sitzen. Inspiriert von der Kommunikationsplattform »loomio«, mit der Podemos in Spanien bereits um das Jahr 2015 herum viele Menschen zu politischen Diskussionen und Entscheidungsfindungen einlud, hat DIE LINKE im Internet einen demokratischen und inklusiven Debattenraum geschaffen. Die Versorgung aller mit schnellem Internet ist in die öffentliche Hand übernommen, barrierefrei und kostenfrei. Aus den Betriebsgruppen und selbstverwalteten Betrieben, Stadtteilorganisationen, den regionalen Entscheidungen über Investitionen und Produktionsweise hatten sich Verbindlichkeit, Strategie- und Planungsfähigkeit verbessert. Die Linken verstanden sich als Teil einer gesellschaftlichen Partei. Viele haben erfahren, dass sie die Welt verändern können. Das vergisst man nicht.

Nachbemerkung

2030 leben wir nicht im Sozialismus. Die beschriebenen Transformationen von Wirtschaft, Gesellschaft, von Staat und Partei sind Zwischenschritte. Umkämpft und bedroht von mächtigen Kapitalfraktionen und ihren politischen Vertretern, die nach wie vor Krieg und faschistische Herrschaft für die Bearbeitung ihrer Krisen in Betracht ziehen.

Zwar hat sich die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft zu Beginn der 2020er Jahre aufgelöst. Aber Versuche, neue Spaltungen zum Beispiel mittels rassistischer Ideologien einzuziehen, gibt es immer wieder. Der Kapitalismus versucht weiter, seine Krisen dadurch zu bearbeiten, dass er sie verschiebt. Konkurrenz um Ressourcen und Lebensmittel bestehen fort, auch wenn Teile der Weltproduktion von Lebensmitteln auf regionale Kreisläufe umgestellt werden konnten und in den linksregierten Ländern ein abgestimmter sozial-ökologischer Umbau von Produktion, Verkehr, Energie sowie des Raums vorgenommen wurden. In den USA haben die starken Strukturen der solidarischen Ökonomie einen umso stärkeren Militärapparat zum Gegner. Kanada scheint sich eher auf die europäischen Regulierungsformen zuzubewegen. Russland ist dem Liberalismus und Klientelismus anheim gefallen. In Teilen Lateinamerikas und Europa haben sich die Verhältnisse zu Ungunsten des Kapitals verschoben. Mit dem Zusammenbruch des neoliberalen Finanzkapitalismus sind die europäischen Institutionen demokratisiert worden. Die Festung wurde geschliffen. Doch längst sind Ausbeutung und Ungleichheit nicht verschwunden. DIE LINKE wird gebraucht.