nd-aktuell.de / 10.04.2015 / Kommentare / Seite 4

Deutscher Brite

PERSONALIE

Jürgen Amendt

Die Briten pflegen seit alters her eine spezielle Beziehung zu Deutschland und den Deutschen. Um es mit der berühmten britischen höflichen Zurückhaltung auszudrücken: Eine Liebesbeziehung war das nie. Wofür die Briten im 20. Jahrhundert aus den bekannten Gründen weniger konnten als die Deutschen.

Seit einigen Jahren aber sind viele Inselbewohner am Rande Europas zu Deutschland-Fans geworden. Es soll, wie man gelegentlich auch hiesigen Medien entnehmen kann, dort Weihnachtsmärkte geben, Imbissbuden mit Bratwurstgerichten machen guten Umsatz und man blickt neidisch auf »unsere« Kanzlerin. Vielleicht liegt das daran, dass Merkel die Briten irgendwie an eine sanftere Ausgabe von Margret Thatcher erinnert: in der Wirkung genauso neoliberal fatal, in den Mitteln aber etwas freundlicher.

Womit wir bei Neil MacGregor wären. Wie der Name schon sagt, ist das ein Schotte. Seit 2002 ist der 1946 in Glasgow geborene MacGregor Direktor des British Museums in London. Dort hat er jüngst die viel beachtete Ausstellung »Germany - Memories of a Nation« eröffnet. Er ist in seinem Leben viel gereist, spricht ein perfektes Deutsch und ist so in Deutschland verliebt, dass er in einer 30-teiligen Reihe auf BBC den Briten 600 Jahre deutsche Geschichte erklärte. Bald schon wird MacGregor in Berlin wirken - er soll Gründungsintendant des Humboldt-Forums werden, das in den Fassadenneubau des Berliner Stadtschlosses einziehen wird.

Neil MacGregor ist von dieser Aufgabe angetan, ließ er die Öffentlichkeit wissen: »Das ist eine historische Chance für Deutschland, für Europa, für die ganze Welt.« Wahrscheinlich braucht es einen Briten, um sich für das Bauprojekt nebst seiner geplanten Nutzung zu begeistern, wo doch die Deutschen selbst - allen voran die Berlinerinnen und Berliner - sich am Bauvorhaben wenig erwärmen können. Einen Stahlbetonbau mit nachgemachtem Barock zu verkleiden, das ist als architektonische Idee wahrlich so herrlich crazy, das es einem Briten einfach gefallen muss.