nd-aktuell.de / 11.04.2015 / Politik / Seite 1

Der Schwur von Buchenwald

Einstige Häftlinge sehen 70 Jahre nach der KZ-Befreiung ihre Mission nicht erfüllt

Weimar. Jorge Semprun, der 2011 verstorbene große spanische Schriftsteller, hat nicht Recht behalten. In seiner bewegenden Rede zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald vor zehn Jahren hatte der einstige Häftling auf dem Ettersberg bei Weimar erklärt, dass beim nächsten Jubiläum außer den 900 befreiten jüdischen Kindern keine Zeitzeugen des faschistischen Mordens mehr leben würden. Doch 80 der zum Teil heute weit über 90-jährigen ehemaligen Häftlinge haben sich auch an diesem Wochenende zum 70. Jahrestag nach Thüringen aufgemacht und werden am Sonntag auf dem ehemaligen Lagergelände ihrer ermordeten Mitgefangenen gedenken.

Sie kehren zum Ort ihres Leidens zurück - aber auch zum Ort ihres Triumphes. Denn nach der unsäglichen Barbarei der Nazis, der fast 60 000 Buchenwalder zum Opfer fielen, erlebten 21 000, wie die meisten ihrer Bewacher am 11. April 1945 angesichts der anrückenden US-Army flüchteten, das illegale Lagerkomitee die Wachtürme besetzte und 200 SS-Leute festnahm, um sie nach deren Eintreffen den Amerikanern zu übergeben. Den Stolz auf die Selbstbefreiung konnte denen keiner mehr nehmen, so sehr viele Politiker wie Historiker sich in den letzten 25 Jahren auch darum bemühten.

Die letzten Zeitzeugen aus allen europäischen Ländern nehmen die Mühen der Reise immer wieder auf sich, weil ihre Mission noch nicht erfüllt ist. Am 19. April 1945 hatten sie geschworen: »Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig.« oer Seiten 4, 18, 19 und 25