Voreilige Kommentare

Ein drittes Kreditprogramm für Griechenland? SYRIZA strebt das nicht an - aber auch die Grünen diskutieren schon einmal darüber

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Grünen sehen insgesamt den Krisenkurs der Bundesregierung skeptisch. Differenzen gibt es dennoch - sie finden Niederschlag in der Debatte über ein drittes Kreditprogramm für Griechenland.

Gemeinsam für ein anderes Europa, Schluss mit dem Austeritätsdogma, Solidarität mit Griechenland: Was die Grüne Jugend von der Möglichkeit eines Kurswechsels in der Krisenpolitik denkt, war beim Bundeskongress in Bremen unüberhörbar.

Was Griechenland und die SYRIZA-geführte Regierung in Athen angeht, steht der Nachwuchs der Grünen ziemlich links. Das ist bei dem Thema innerhalb der Partei keineswegs eine Minderheitenposition. Auch die Europaabgeordnete Ska Keller fordert ein Ende der Troika-Politik gegen die Griechen und Luft zum Atmen für die Regierung von Alexis Tsipras - damit ein tiefgreifender Wandel möglich wird. Ähnlich haben sich Parteichefin Simone Peter und weitere Grünen-Politiker geäußert.

Doch es gibt auch andere Töne. Am Freitag ließen sich Abgeordnete der Partei mit dem Hinweis zitieren, die Zustimmung zu einem dritten Kreditprogramm für Griechenland sei keineswegs so klar, wie es zuvor Fraktionschef Anton Hofreiter erklärt hatte. Der Bundestagsabgeordnete und wirtschaftspolitische Sprecher Dieter Janecek etwa verlangte gegenüber dem Sender ntv - ganz in der Art, die auch die Bundesregierung beherrscht - er sei »durchaus frustriert davon, welches Bild die griechische Regierung abgibt. Ich wünsche mir klare, belastbare Reformvorschläge«. Ähnlich hatte er sich zuvor im »Handelsblatt« geäußert.

Nicht begeistert darüber war sein Fraktionskollege Wolfgang Strengmann-Kuhn, der auf dem Kurznachrichtendienst Twitter erklärte, »die griechischen Reformvorschläge sollten die Institutionen beurteilen, voreilige Kommentare sind eher schädlich«. Dies gelte »auch für Grüne«.

In Deutschland ist tatsächlich an Beurteilungen der Liste von Maßnahmen, welche die Gläubiger von der SYRIZA-geführten Regierung in Athen verlangen, kein Mangel. Ständig wird entweder darauf verwiesen, dass die Reformvorschläge nicht ausreichend seien - oder dass die Griechen noch gar keine Vorschläge gemacht hätten. So schreibt etwa das »Handelsblatt«: »Die griechische Regierung hat bislang noch keine Liste mit Reformvorschlägen vorgelegt.«

Richtig ist, dass längst ein ausführliches Papier in Brüssel diskutiert wird - es ist sogar gegen den Willen der Gläubiger öffentlich geworden. Grünen-Mann Janecek vermisste dennoch Vorschläge zur Eindämmung von Steuerflucht und für mehr Rechtsstaatlichkeit und für den Kampf gegen Korruption.

Die sind in der Liste durchaus zu finden - ob man sie als ausreichend ansieht, ist eine andere Frage. Eine andere Frage ist auch, welchen Sinn eine Debatte über ein drittes Kreditprogramm für Griechenland macht. Die Diskussion wird auch in der Union gern geführt - durchaus mit dem innenpolitischen Motiv verknüpft, sich gegenüber Athen nicht zu kompromissbereit zu zeigen. In der Union blickt man dabei an den rechten Rand, wo die AfD auf die krisenpolitischen Reflexe der Wähler setzt.

Ein Nein zu einem eventuellen dritten Kreditprogramm käme bei den Anhänger der Grünen aber wohl nicht so gut an: In einer Umfrage im März hatten sich 77 Prozent der Wähler dieser Partei für eine Verlängerung des laufenden Kreditprogramms ausgesprochen - das waren mehr als die Anhänger jeder anderen Partei. Fraktionschef Hofreiter sagte im Bayerischen Rundfunk denn auch zu einem weiteren Kreditprogramm: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir das ablehnen.« Seine Ko-Vorsitzende Katrin Göring-Eckardt knüpfte die Zustimmung wiederum daran, »dass die Bedingungen stimmen«.

Zudem: Die Regierung in Athen will eigentlich kein drittes »Hilfspaket«, mit dem dann vor allem die Verbindlichkeiten aus früheren Kreditprogrammen bezahlt werden, das Geld aber kaum den Menschen in Griechenland zugute kommt. Ziel von SYRIZA ist vielmehr der Ausstieg aus der Schuldenlogik. Finanzminister Yanis Varoufakis spricht von einem New Deal, also einer ganz anderen Herangehensweise in der Krisenpolitik.

»Wir brauchen einen Green New Deal für Europa« heißt es auch in einem wirtschaftspolitischen Positionspapier von linken Grünen - in dem auch die deutsche Debatte über Sinn und Zweck der von Griechenland abverlangten Reformen nachhallt. Das Wort sei »zum Synonym für sozialen Abbau geworden«, heißt es da, die EU stehe in den meisten Ländern »eher für Massenentlassungen als für Solidarität«. Ein Schuldenschnitt, der eine Alternative zu einem neuerlichen Kreditprogramm um der Bedingung von Schulden Willen wäre, dürfe »kein Tabuwort« sein, heißt es da. Gerade beim Fall Griechenland sei klar, dass das Land »ohne Reduzierung seiner Schulden nicht auf die Beine kommen wird«.

Illusionen über den bisher verfolgten Kurs in der Krisenpolitik Europas macht sich freilich auch Janecek nicht. »Es darf nicht sein, dass Griechenland sich weiter kaputtspart«, sagt der Grünen-Politiker. »Die Sparvorgaben waren angesichts des Wirtschaftsabschwungs überzogen und haben die Krise vertieft.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal