Killer und Kämpfer

Volkswagenpatriarch bricht überraschend eine Diskussion um die Absetzung des Vorstandschefs vom Zaun

  • Lesedauer: 3 Min.
Bei Europas größtem Autobauer Volkswagen droht ein Machtkampf um die Führungsspitze. Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch war am Wochenende von Vorstandschef Martin Winterkorn abgerückt.

Stuttgart/Wolfsburg. Im Machtkampf bei Volkswagen ist VW-Aufsichtsrat Wolfgang Porsche auf Distanz zu Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch gegangen, nachdem dieser zuvor völlig überraschend von VW-Vorstandschef Martin Winterkorn abgerückt war. »Die Aussage von Herrn Dr. Piëch stellt seine Privatmeinung dar, welche mit der Familie inhaltlich und sachlich nicht abgestimmt ist«, ließ Wolfgang Porsche als Vertreter der Porsche-Familie über einen Sprecher am Sonntag in Stuttgart der Deutschen Presse-Agentur mitteilen.

Dem Nachrichtenmagazin »Spiegel« hatte Piëch gesagt: »Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.« Dies kam einer Demontage Winterkorns (67) gleich. Piëch hatte außerdem gesagt: »Ich strebe an, dass an die Spitze des Aufsichtsrats und des Vorstands die Richtigen kommen.« Die Kandidaten dafür seien bereits im Unternehmen. Die Familien Piëch und Porsche halten die Mehrheit an VW. Wolfgang Porsche ist der Sprecher des Porschezweigs und Aufsichtsratschef der Porsche Holding SE. Der 71-Jährige gilt als zentrale Figur des Porsche-Flügels. Er und Ferdinand Oliver Porsche sitzen im VW-Aufsichtsrat.

Inzwischen haben VW-Betriebsrat und das Land Niedersachsen als VW-Anteilseigner Winterkorn den Rücken gestärkt. Der einflussreiche VW-Betriebsratschef und Aufsichtsrat Bernd Osterloh hatte gesagt: »Wir haben eine klare Haltung, an der sich nichts geändert hat: Wir haben mit Dr. Winterkorn den erfolgreichsten Automobilmanager an Bord.« Der Betriebsrat mache eine Personaldebatte nicht mit. Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD)wird mit den Worten zitiert: »Ich halte eine öffentliche Diskussion über die Spitzen von VW für schädlich.« Weil sitzt ebenfalls im VW-Aufsichtsrat.

Winterkorns Vertrag läuft Ende nächsten Jahres aus. Konzerninsider hatten zuletzt übereinstimmend berichtet, dass Winterkorn Piëch im Kontrollgremium ablösen dürfte. Nur der Zeitpunkt schien unklar. So ließ es auch Winterkorn zuletzt offen, ob für ihn eine Vertragsverlängerung infrage komme. Die Aussagen Piëchs über Winterkorn kommen einem Erdbeben bei Volkswagen gleich. Piëch stand einst selbst als Vorstandschef an der VW-Konzernspitze - wie heute Winterkorn. Jahrzehntelang hatten beide ein enges Vertrauensverhältnis.

Der »Spiegel« führte für die Verstimmung zwischen Winterkorn und Piëch auch die großen strategischen Probleme an, vor denen Volkswagen allem Erfolg zum Trotz seit Jahren steht. Die Gewinnkraft der Kernmarke VW-Pkw hinkt der Konkurrenz beständig hinterher. Daher greift seit vergangenem Sommer ein milliardenschwerer Sparplan.

Winterkorn selbst will laut Medienberichten kämpfen. Er wolle sich von Piëch nicht vom Hof jagen lassen, erfuhr die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« aus dem Unternehmen. Die »Bild am Sonntag« zitierte einen »Vertrauten« Winterkorns mit den Worten: »Piëch will ihn killen, aber Winterkorn kämpft.« Für eine Absetzung müsste sich Winterkorn laut Aktiengesetz eine »grobe Pflichtverletzung« zuschulden kommen lassen oder »unfähig zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung« sein. Für sein Aus müsste eine Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat her.

Volkswagen ist mit 600 000 Beschäftigten - die Hälfte in Deutschland - Europas größter Autobauer und weltweit die Nummer zwei hinter Toyota. Der Konzern hat zwölf Marken, darunter die Kernmarke VW, Audi, Porsche und Skoda. Größter Einzelmarkt ist China. 2014 machte Volkswagen mit fast 120 Werken weltweit einen Umsatz von rund 202 Milliarden Euro. Die Auslieferungen lagen bei 10,14 Millionen Fahrzeugen. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal