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Bunter Zug für eine tolerante Stadt

Mehrere Hundert Menschen demonstrierten durch Neukölln gegen Homophobie, Fremden- und Islamfeindlichkeit

  • Josephine Schulz
  • Lesedauer: 2 Min.
Berlin ist eine tolerante Stadt. Das ist jedenfalls ihr Image. Sexuelle Orientierung, Herkunft, Geschlechtsidentität sollten in der bunten Metropole keine Rolle spielen. Eigentlich.

Unter dem Motto »Wir haben das Recht so zu leben wie wir sind. Nämlich ohne Homophobie« demonstrierten in Berlin Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender (LGBT) und ihre Unterstützer am Sonntag für Toleranz. Mehrere Hundert Menschen hatten sich auf dem Tempelhofer Feld versammelt. Von dort ging die bunte Demo quer durch Neukölln bis zum Herrmannplatz. »Wir sind zu bequem geworden«, sagt Erna, die Miss CSD. In den letzten 15 Jahren sei die Gesellschaft kontinuierlich intoleranter geworden. »Jetzt müssen wir wieder auf die Straße gehen.«

Initiator der Demo ist Nasser El-Ahmad. Der 18-Jährige hat mit seinem Mut viele beeindruckt. Mit 15 Jahren hatte sich Nasser geoutet. Seine Familie entführte ihn, im Libanon sollte er zwangsverheiratet werden. Vor wenigen Wochen fand in Berlin der Prozess gegen den Vater statt.

Die Route quer durch Neukölln, wo viele arabische und türkischstämmige Menschen leben, hatte auch für Kritik aus den Reihen der Community gesorgt. »Die angebliche Verbindung von Islam und Homophobie ist eine ganz gefährliche Kiste«, sagt Erna. Sie wehrt sich dagegen, dass zwei Minderheiten gegeneinander aufgehetzt werden. »Ich demonstriere deswegen heute auch gegen Fremden- und Islamfeindlichkeit«. Und auch von der LINKEN in Neukölln heißt es: »Es ist Wasser auf die Mühlen von Rassisten, wenn gesagt wird, dass Neukölln wegen des hohen Migrantenanteils besonders unfreundlich gegenüber Homosexuellen sei.«

Homophobie ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Diskriminierung gebe es von staatlicher Seite, aber auch im Alltag, stellt Jonas, ein Mitglied des liberal-islamischen Bundes klar. Der Verein setzt sich für die Rechte von homosexuellen Muslimen ein. Er sagt, in den muslimischen Spitzenverbänden werde viel zu wenig gegen Homophobie getan.

Religion und Homosexualität sei in den Köpfen vieler Menschen, Christen wie Muslimen, ein unüberbrückbarer Gegensatz. Gewalt, Zwangshochzeiten und Familienausstoß gebe es auch in Berlin hinter verschlossenen Türen. Adrian Vogt vom Vorstand des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg, sieht den Senat in der Pflicht: »Noch immer fehlt es an Krisenwohnungen für Männer, die aufgrund ihrer Homosexualität zwangsverheiratet werden sollen.« Mehr tun müssten auch die muslimischen Gemeinden.

Der Demonstrationszug führt vorbei an der Sehitlik-Moschee, wo vor wenigen Monaten ein Dialog mit Homosexuellen entstehen sollte. Aber die Gemeinde wollte nicht. Auch von türkischen Medien kam Druck. Am Ende traf man sich statt in der Moschee in einem evangelischen Tageszentrum. Die Begegnung zeigte, wie tief die Gräben, wie verwurzelt die Vorurteile sind. Sie war ein Anfang.

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