Ankara: Der Papst interpretiert falsch
Unmut nach »Völkermord«-Äußerung von Franziskus
Istanbul. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hat Papst Franziskus nach dessen Äußerungen zum »Völkermord« an den Armeniern vorgeworfen, Rassismus in Europa zu befördern. Die Worte des Pontifex seien »unglücklich gewählt, falsch und widersinnig«, sagte Davutoglu in Istanbul. Sie beruhten auf einer »fehlerhaften Interpretation« der Geschichte. »Gleichzeitig tragen sie zum steigenden Rassismus in Europa bei.«
Franziskus hatte die Gräueltaten an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren in einer Messe am Sonntag als »ersten Völkermord im 20. Jahrhundert« bezeichnet. Davutoglu kritisierte, der Papst bezichtige Muslime und Türken damit kollektiv einer Schuld. Die Türkei lehnt es als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches ab, von Genozid zu sprechen. Das Außenministerium in Ankara teilte mit, man hätte sich gewünscht, dass der Pontifex für alle Opfer des Ersten Weltkriegs gebetet hätte, »ohne zu unterscheiden, ob sie Christen, Muslime oder Juden waren«. Die türkische Regierung beklagt seit längerer Zeit wachsende Islamfeindlichkeit in Europa. Die türkische Regierung bestellte nach der Messe den Vatikan-Botschafter ins Außenministerium in Ankara ein. Kurz darauf beorderte das Ministerium auch den türkischen Botschafter beim Vatikan zu Konsultationen nach Ankara zurück.
Dagegen hatte der armenische Präsident Sersch Sargsjan die Äußerungen des Papstes als »starkes Signal« an die internationale Gemeinschaft gelobt, dass ein Völkermord, der nicht verurteilt werde, eine »Gefahr für die ganze Menschheit« darstelle. Den Gräueln waren nach armenischen Angaben 1,5 Millionen Menschen zum Opfer gefallen. Die Türkei geht von deutlich weniger Toten aus. Armenier gedenken der Massaker am 24. April. dpa/nd Kommentar Seite 4
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