Straßen ins Nirgendwo

Millionen Euro im ungarisch-rumänischen Grenzgebiet ohne Schengenbeitritt nutzlos

  • Istvan Deak
  • Lesedauer: 3 Min.
In den Erhalt und den Ausbau derzeit überflüssiger Straßen an der ungarisch-rumänischen Grenze wurden erhebliche Summen gesteckt.

Zu einer überraschenden Schlussfolgerung gelangten ungarische Journalisten des Portals atlatszo.hu nach einer Analyse. Sie stellten fest, dass im Rahmen des rumänisch-ungarischen Kooperationsprogramms Grenzüberschreitung (HURO) seit Jahren Millionen Euro europäischer Steuergelder für Straßen entlang der Grenze eingesetzt werden, die zur Zeit gar nicht genutzt werden können.

Das Kooperationsprogramm beider Länder begann im Jahre 2007. Seitdem wurden dafür 215 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) abgerufen. Zusätzlich stiegen Ungarn und Rumänien mit einem Eigenanteil ein.

Das Geld ist weg, die Straßen sind da. Doch niemand kann sie gemäß ihrer Zweckbestimmung benutzen. Denn Ungarn gehört dem Schengenraum an, Rumänien aber nicht. Die Grenze zwischen beiden Staaten kann nur an den offiziellen Grenzübergangsstellen passiert werden. So enden einige Straßen auf Seiten der ungarischen Grenze, andere gehen auf der rumänischen Seite weiter. Sie zu benutzen wäre aber schon eine illegale Grenzüberschreitung, die mit Gefängnis bestraft werden kann.

So sind mehre Verkehrswege an der Grenze, für die insgesamt 14,7 Millionen Euro - davon 12,6 Millionen von der EU - aufgewendet wurden, absolut unbenutzbar. Das gilt für sechs Straßen zwischen Pocsaj-Rosiori mit sechs Millionen, Denesmajor-Zerind mit drei Millionen und Elek-Graniceri mit 5,7 Millionen Euro Kosten. Statt in wenigen Minuten auf die andere Seite wechseln zu können, müssen die Bewohner aus den ungarischen und rumänischen Dörfern erhebliche Umwege von 37 bis 61 Kilometern machen, damit Sie die Grenze legal überqueren.

»Das ist nur die Spitze des Eisbergs«, schreibt Atlatszo.hu. In weitere drei Projekte seien 9,3 Millionen Euro geflossen. »Die Situation ist umso absurder, da eine neue Grenzübergangsstelle nur 100 000 bis 150 000 Euro gekostet hätte. Stattdessen werden Straßen im Wert von Millionen Euro blockiert. Die ungarische Regierung fordert neue Grenzübergangsstellen, die rumänische Regierung lehnt das zur Zeit ab.« Die Rede ist von zehn derartigen Straßen

Die ungarischen und rumänischen Politiker sehen das anders. »Es ist erfreulich, dass Rumänien und Ungarn mit europäischer Hilfe gemeinsame Projekte entlang der Grenze beendet haben.« Es sei 25 Jahre lang davon geträumt worden, dass Dank der europäischen Integration keine Grenzen benachbarte Gemeinden mehr trennen, erinnerte gegenüber »nd« Laszlo Tökes, ungarischer und ehemaliger Europa-Abgeordneter für Rumänien. »Diese Straßen hat es immer gegeben, doch sie wurden immer vernachlässigt. Durch das Programm HURO sind sie nun verkehrsfähig«, verteidigte er das Projekt. »Ich bin sicher, dass die Gelder korrekt und legal genutzt wurden.«

Allerdings räumt der Abgeordnete ein, dass es »offensichtlich politische Gründe gibt, warum diese Straßen nicht benutzt werden können«. Ungarn könne ja nichts dafür, dass Rumänien noch nicht in den Schengenraum aufgenommen sei. »Ich bin dafür, dass man neue Grenzübergangsstellen öffnet.« Dies solle wenigsten dort erfolgen, wo die Bauarbeiten auf beiden Seiten beendet seien.

Der rumänische Abgeordnete, Ödön Szabo, ehemaliger stellvertretender Leiter des Kreistags in Bihor, weiß genau, welche Straßen gemeint sind. Er bekräftigt: »Unser Ziel muss sein, so viele Grenzübergangsstellen zu öffnen, wie möglich.« Als das Projekt 2007 in acht Kreisen der beiden Länder gestartet wurde, sei man überzeugt gewesen, dass bis zu dessen Fertigstellung, Rumänien und Ungarn gemeinsam in den Schengenraum aufgenommen würden.

Das gelang am 17. November 2007 zwar Ungarn und seinen Nachbarn Slowenien und Slowakei. Rumänien und Bulgarien gelangten ins Monitoring System. Ödön erinnerte an ein Versprechen, dass Rumänen bis 2013 aufgenommen werde. »Doch die technischen Bedingungen sind in politische umgewandelt worden.« Er setzt weiter auf das Projekt und hofft, dass »diese Straßen eine wichtige Rolle spielen werden«.

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