»Ich bin ein Krieger«

Louis Begley hat so etwas wie einen Thriller geschrieben - und das Muster unterlaufen

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 5 Min.

Jack Dana weiß, seiner Geliebten Kerry Freude zu schenken; sie wollten heiraten, doch dann verließ sie ihn von einem Tag auf den anderen. Was da im Epilog steht, hat einen bei der Lektüre des Romans zunehmend beschäftigt: Der Ich-Erzähler nimmt für sich ein durch seine Offenheit, seinen Gerechtigkeitssinn, seine Tatkraft, seine Zielstrebigkeit. Aber gerade in Momenten, wenn wir diesen Jack eigentlich bewundern müssten, scheint die Figur zu kippen. Das probate Muster des Thrillers bekommt Löcher, so dass man dahinter eine andere Wirklichkeit sieht.

Jack Dana war seinem Onkel Harry fast wie einem Vater verbunden. Bis Seite 48 dauert diese angenehm zu lesende Vorgeschichte. Aber wir wissen ja schon - wer übergeht schließlich den Klappentext -, dass Harry während einer Südamerika-Reise seines Neffen verstarb. Die Haushälterin fand ihn erhängt in seinem Wochenendhaus auf Long Island. Natürlich zweifelt Jack an der offiziellen Version, dass es ein Selbstmord war. Von einem Autor aus Europa wäre er sicher auch auf private Ermittlungstour geschickt worden, einfach weil ein Krimi am besten mit einem Einzelkämpfer funktioniert. Misstrauen gegenüber der Polizei, dass sie routiniert und deshalb etwas schludrig arbeiten könnte, versteht sich in so einem Fall. Aber bei Jack und all jenen, die ihn unterstützen, geht es um mehr: um grundsätzlichen Argwohn gegenüber staatlichen Organen, nicht nur wegen möglicher Unterlassungssünden, sondern auch wegen des Verdachts, dass sie mit den Kriminellen gemeinsame Sache machen könnten.

Mafiöse Strukturen, als selbstverständlich angenommen. Nun, das gibt es in vielen Ländern der Erde. Aber die USA stellen sich gemeinhin anders da. Louis Begley wird klar gewesen sein, dass er Spannung verschenkt, wenn er seinem »Helden« schon recht früh im Roman Gewissheit verschafft, dass sein Onkel ermordet wurde. Obwohl Polizei und Mitarbeiter von Harrys Anwaltskanzlei das Haus inspizierten, entdeckt Jack einen Mitschnitt der Tat - ein Mann mit balkanischem Akzent nannte Harry »Totes Fleisch« und verhielt sich entsprechend. Ein gedungener Killer - über seinen Auftraggeber gibt es wenig Zweifel. Zweifel betreffen, wie gesagt, zunehmend den Mann, an dessen Seite man beim Lesen ist, mit dem man bangt, dem man Erfolg wünscht, weil er im Recht ist. Weil er mit der Aufklärung des Mordes womöglich noch mehr leisten wird: Licht in dunkle Zusammenhänge des organisierten Verbrechens bringen.

Louis Begley, 1933 in Polen geboren, hat bis 2004 selbst als Anwalt in einer renommierten Kanzlei in New York gearbeitet. So wie Harry, der mehrere ehrenwerte Kollegen hatte, aber eben einige unehrenhafte auch. Solche, die für Geld alles taten und einen Mandanten schützten, der eigentlich vor Gericht gehörte. Der Sumpf gehört zum Kapitalismus, aber man hat schon den Eindruck, dass er in Übersee tiefer ist. Wegen der globalen Ansprüche. Beim Lesen dämmert es einem, dass die politischen Einmischungen der USA, weltweit und ohne Rücksichten auf die Folgen, auch - vielleicht zuvörderst - eine ökonomische Seite haben, die man allerdings niemals klar zu sehen bekommen wird. Zwar ist hier von Think Tanks ist die Rede, wie der »Freedom Now Foundation«, von Lobbyarbeit, um für Obamas Niederlage zu sorgen, aber die verbrecherischen Machenschaften von Harrys Klienten Abner Brown beschreibt Begley doch nur recht recht allgemein. Weil er in seiner Anwaltslaufbahn von solcherart Zusammenhängen mehr erfuhr, als ihm lieb war? Weil er damit auch nicht vor Gericht zog? Weil er weiß, dass das oft nichts bringt - und was Leuten wie Harry geschieht?

Nach seiner Entlassung aus der Army hat Jack Dana zu schreiben begonnen. Das erste seiner erfolgreichen Bücher verfasste er im Militärkrankenhaus, wo ihm die »Kugeln eines Taliban-Heckenschützen« aus den Beckenknochen entfernt wurden. Stolz gibt er auf der ersten Seite kund, »die härtesten Kampfschulen des Marinekorps mit Auszeichnung absolviert« zu haben, »Schulen, in denen man lernt, Feinde abzuknallen, die das Pech haben in Schussweite zu sein, oder ihnen, wenn sie nah genug sind, ein Messer zwischen die Rippen zu jagen«. Wie einfach es ist, einen Mann umzubringen oder ein Haus zu sprengen, erzählt er uns.

Da meint man noch, Bitterkeit herauszuhören. Später erleichtert es einen sogar, dass er in seinem Freund Scott (mit Verbindungen zur CIA) jemanden hat, der ihn bei der Jagd nach dem Mörder seines Onkels unterstützt. »Schick eine Drohne!«, sagt er zu ihm. Die Antwort: »Ein Predator wäre genau das Richtige, aber in den Staaten setzen wir die nicht ein. - Die Zeit wird kommen und nur allzu bald, lachte ich ...«

Aber eigentlich möchte er es allein tun. Es ist gefährlich, umso mehr sonnt er sich in der Vorstellung, wie es ihm gelingt. »Ich will den Scheißkerl umbringen.« Diese Selbstgefälligkeit, diese Großspurigkeit die ganze Zeit! Diese irrige Vorstellung, etwas ins Lot zu bringen, indem man Mord durch Mord beantwortet. Die archaische Blutrache funktionierte so, aber wenn es um Killerbanden und ihre Auftraggeber geht … Apologie der Stärke - er hat es nicht besser gelernt. »Ich bin ein Krieger«, brüstet sich Jack. »Du riechst nach Blut«, sagt Kelly. »Du bist krank.« Mit seinen Charakteren trifft Louis Begley ein ganzes System.

Louis Begley: Zeig dich, Mörder. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Christa Krüger. Suhrkamp Verlag. 302 S., geb., 19,95 €.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal