«Alles, was wir sahen, war tot»

Vor 100 Jahren griffen deutsche Truppen im flandrischen Ypern französische Soldaten mit Chlorgas an. Es war der weltweit erste Chemiewaffeneinsatz. Von Reiner Oschmann

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: ca. 8.5 Min.

Es war ein schöner Tag und wir hätten lieber Picknick gemacht als das, was wir nun auslösten«, berichtet Augenzeuge und »Gas-Pionier« Willi Siebert über jenen 22. April 1915 am Rand der flämischen Stadt Ypern, als das kaiserliche Deutschland gegen 18 Uhr, der Wind günstig aus Nordost, an der erstarrten Westfront des Ersten Weltkriegs den weltweit ersten Einsatz von Chemiewaffen führt: 160 Tonnen Chlorgas, abgeblasen aus 6000 Stahlflaschen. Eine 6 Kilometer breite, bis 900 Meter tiefe Wolke treibt auf die französischen Stellungen zu.

Dieser Angriff vor 100 Jahren dauert nur wenige Minuten. Er kostet mindestens 1200 alliierten Soldaten das Leben und verätzt weiteren 7000 bis 15 000 Männern Augen und Atemwege.

Erstmals waffentauglich gemacht worden war das Chlorgas von Fritz Haber. Der Nobelpreisträger für Chemie (1918) hatte die Premiere an vorderster Front überwacht und wurde wenige Tage darauf in Berlin - unter »Tränen d...


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