Befreiungsort und DKP-Hochburg

Wie Mörfelden-Walldorf und Wageningen (Niederlande) ihre Partnerschaft pflegen

  • Marianne Walz
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit 1945 in den Niederlanden Krieg und Besatzergewalt endlich vorbei waren, feiert das Land jährlich am 5. Mai den Bevrijdingsdag (Befreiungstag). In Wageningen, dem Ort der Unterzeichnung der Kapitulationserklärung der deutschen Wehrmacht in den Niederlanden, pflegen Friedensaktivisten seit 1983 die Verbindung zum südhessischen Mörfelden-Walldorf. Sie führte 1992 zu einer Städtepartnerschaft. Dieser Tage erst vermittelte eine Ausstellung im Walldorfer Rathaus Einblicke in den Austausch zwischen beiden Schwesterstädten. Titel: »Das Holocaust-Mahnmal und wir« mit Arbeiten von Laurens van der Zee (Gedichte) und Salman Ezzammoury (Fotomalerei).

Dass sich Wageningen, die »Befreiungsstadt«, mit Mörfelden-Walldorf verschwistert hat, ist kein Zufall: Als in den 1980er Jahren die Atomkriegsgefahr bedrohlicher wurde, hatten Wageninger Friedensaktivisten und städtische Repräsentanten Kontakt zu derjenigen bundesdeutschen Stadt gesucht, die sich damals als erste zur atomwaffenfreien Stadt erklärt hatte - Ergebnis der Friedensbewegung gegen den NATO-Doppelbeschluss. Sie bestimmte in der DKP-Hochburg Mörfelden das politische Klima und macht bis heute ihren Einfluss geltend.

Die öffentliche Debatte um geistige Altlasten der Nazizeit bildet in der Kommunalpolitik der DKP-Linke Liste in Mörfelden-Walldorf seit Langem einen Schwerpunkt. Stadtrat Alfred J. Arndt und seine Genossen haben zum Beispiel in beharrlicher Arbeit erreicht, dass das ehemalige KZ-Außenlager Walldorf seit 1980 eine Gedenkstätte ist. Arndt gehört zu den Aktiven, die die Städtepartnerschaften mitgestalten. Auf dieses Engagement ging auch die kürzliche Ausstellung zurück, die zunächst in Wageningen gezeigt worden war. Sie umfasste neunzehn Bilder zum Berliner Holocaust-Mahnmal, eine Video-Installation und acht Gedichttexte.

Auch für die Wageninger steht mit Blick auf die Besatzungszeit die Frage nach Schuld und Verantwortung. Denn dass auch die Niederländer keine Gemeinschaft von Nazi-Opfern und Widerstandshelden waren, drang spätestens mit dem Welterfolg des »Tagebuch der Anne Frank« ins öffentliche Bewusstsein. Zahlreiche Kollaborateure und Spitzel hatten sich mitschuldig daran gemacht, dass von 180 000 Juden in den Niederlanden nur jeder sechste den Holocaust überlebte.

Sieben der Gedichte von van der Zee zu den Bildern von Ezzammoury hat Stadtrat Arndt ins Deutsche übertragen. »MEDEDELING / Grueweldaden uit het verleden / bieden geen garantie / tegen grueweldaden in de toekomst. / De Directie (HINWEIS: Gräueltaten aus der Vergangenheit bieten keine Garantie gegen Gräueltaten in der Zukunft. Die Direktion)«. Der Dreizeiler van der Zees, derzeit Stadtschreiber von Wageningen, unterscheidet sich nur in einem Wort von einem niederländischen Text zu früheren Rendite-Gewinnen. Eine solche Vertragsklausel, von dortigen Geldinstituten den Anlegern ins Kleingedruckte gesetzt, ist in den Niederlanden so bekannt wie hierzulande der Spruch von den Risiken und Nebenwirkungen, Ärzten und Apothekern.

In der »Verschwisterungsurkunde« der beiden Städte wird als wichtiges Ziel der Partnerschaft auch die gemeinsame Sensibilisierung für die Probleme der Dritten Welt genannt. So werden unter anderem über die Partnerstadt Wageningen auch aus Mörfelden-Walldorf im Rahmen der kommunalen Entwicklungshilfe Projekte in Ruanda und Kroatien unterstützt.

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