Viel länger, viel teurer

Diskurs über den Bau eines Atommülllagers nähert sich den Realitäten an

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Entsorgung wird Jahrzehnte dauern, die Kosten steigen weiter - die Folgen der Atomenergie wiegen noch schwerer als gedacht.

Das letzte Atomkraftwerk in Deutschland soll 2022 vom Netz gehen. So hatte es der Bundestag nach der Fukushima-Katastrophe beschlossen, und so steht es im Atomgesetz. Mit der Beseitigung der strahlenden Rückstände der »friedlichen Nutzung der Kernenergie« wird man allerdings viel länger zu tun haben.

Eine Untergruppe der von Bundestag und Bundesrat eingesetzten Expertenkommission, die seit über einem Jahr Kriterien für die Suche nach einem Endlager für den hoch radioaktiven Abfall entwickeln soll, kommt zum Schluss, dass die Entsorgung dieses stark strahlenden und sehr heißen Atommülls noch etliche Jahrzehnte dauern wird. Die »Frankfurter Rundschau« berichtete am Montag über ein entsprechendes Papier der Arbeitsgruppe. Demnach werden die letzten Behälter erst »zwischen 2075 und 2130« versenkt. Das Endlagerbergwerk dürfte erst »zwischen 2095 und 2170 oder später« verschlossen sein.

Zugleich machte einer der beiden Kommissionsvorsitzenden, der frühere Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD) deutlich, dass die Kosten für die Endlagerung und den vorgeschalteten Abriss der Atomkraftwerke sehr viel höher ausfallen als bislang veranschlagt. Müller nannte gegenüber der Zeitung eine Summe von 50 bis 70 Milliarden Euro. Das wäre fast doppelt so viel wie die vier großen Atomkonzerne RWE, E.on. EnBW und Vattenfall als Rücklagen für diese Aufgabe gebildet haben - angeblich, denn diese Summe taucht nur als Buchung auf. Hinzu kommt, dass zunächst E.on eine Aufspaltung des Unternehmens angekündigt hat: In eine neue Gesellschaft, die sich auf zukunftsträchtige Felder wie Erneuerbare Energien konzentriert, und eine »Bad Company«, der die Abwicklung des nicht mehr lukrativen Atomgeschäfts vorbehalten bleibt.

Bürgerinitiativen sowie Grüne und Linkspartei fordern deshalb schon länger, dass die Rückstellungen so schnell wie möglich in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführt werden. Nur so bleibe gewährleistet, dass das Geld tatsächlich zweckgebunden verwendet wird. Auch ein zwischenzeitlich von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Auftrag gegebenes Gutachten sieht erhebliche finanzielle Risiken für den Steuerzahler und empfiehlt einen öffentlichen Fonds für den AKW-Abriss, in den ein Teil oder die gesamten Rückstellungen fließen sollten.

»Die Bundesregierung muss alles unternehmen, damit die Konzerne die Verantwortung für die Kosten der Atommülllagerung nicht auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler abschieben«, sagte am Montag der Atomexperte der LINKEN im Bundestag, Hubertus Zdebel. »Es muss jetzt endlich ein öffentlich-rechtlicher Fonds eingerichtet werden, in den die Konzerne die Atommüllrückstellungen einzahlen«. Zudem müsse sichergestellt werden, dass künftige Kostensteigerungen weiter von den Stromkonzernen und ihren Nachfolgern übernommen werden.

Mit Blick auf den Standort für ein späteres Endlager fokussiert sich die Debatte weiter auf Gorleben. Das Bundeskabinett hatte kürzlich die sogenannte Veränderungssperre für den Salzstock im Kreis Lüchow-Dannenberg um zehn Jahre verlängert. Diese Sperre untersagt ab einer Tiefe von 50 Metern jegliche Nutzung, die der Erkundung und dem Bau eines Endlagers entgegensteht. Für andere potenzielle Standorte gilt die Verordnung nicht. Atomkraftgegner glauben deshalb den offiziellen Versprechen nicht, dass die Endlagersuche auf einer »weißen Landkarte« erfolgt. Sie sehen den geologisch wie politisch umstrittenen Standort Gorleben weiter in der Favoritenrolle.

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