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Was Hitler ermutigte

Ein Beispiel von Rassismus

  • Adelheid Latchinian
  • Lesedauer: 2 Min.

»Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier?« Mit diesen fast triumphierenden Worten stimmte Hitler im August 1939 seine Generäle auf den bevorstehenden Vollzug seiner menschenverachtenden aggressiven Rassenpolitik im Zweiten Weltkrieg ein. Die Millionen Opfer, darunter sechs Millionen Juden, veranlassten die Alliierten zu den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen von 1946 bis 1948.

Für die dort gefällten Urteile hatte der polnisch-jüdische Jurist Rafael Lemkin die erforderliche Definition der UN-Völkerrechtskonvention geliefert. Wie er in seinen autobiografischen Aufzeichnungen schrieb, motivierte ihn dafür nicht nur der traumatisierende Verlust von 49 Familienmitgliedern während der Shoa, sondern auch die ihn prägende Erinnerung an den von ihm als Jurastudent verfolgten Berliner Prozess im Juni 1921, auf dem der armenische Student Solomon Tehlirian nach seinem Attentat auf Talât Pascha, einem Hauptverantwortlichen für den Genozid an den Armeniern, von der Mordanklage freigesprochen wurde: »In diesem Augenblick erhielt der Mord an einem unschuldigen Volk eine größere Bedeutung für mich. Ich hatte zwar noch keine endgültigen Antworten, aber das sichere Gefühl, dass die Welt ein Gesetz gegen diese Form von rassisch oder religiös begründetem Mord erlassen musste. Souveränität kann nicht als das Recht missverstanden werden, Millionen unschuldiger Menschen umzubringen.«

Die Regierung der auf ethnisch gesäubertem Gebiet 1923 gegründeten Republik Türkei hat nach der Vertreibung und Vernichtung der Armenier sowie weiterer 600 000 Christen aramäischer, chaldäischer, assyrischer und griechischer Abstammung veranlasst, die Spuren dieser hier über Jahrhunderte beheimateten Völker weitgehend zu tilgen, und zwar sowohl materiell als auch ideell: Etwa 5000 armenische Schulen, Kirchen und Klöster, aber auch unzählige architektonisch ebenfalls wertvolle armenische Wohn- und Geschäftshäuser wurden besonders in Ostanatolien zerstört, umgewidmet oder dem Verfall überlassen, ca. 3600 armenische Ortsbezeichnungen gegen türkische Namen ausgetauscht.

Generationen türkischer Schüler wuchsen mit einer Geschichtsverfälschung auf. In den letzten Jahren wird jedoch verstärkt aus dem Ausland wie auch von mutigen türkischen Intellektuellen wie Orhan Pamuk gegen die Leugnung des Völkermords Widerspruch angemeldet. Bis unlängst konnte dies als »Verunglimpfung des Türkentums« gemäß dem Paragrafen 301 mit mehrjährigem Freiheitsentzug geahndet werden. Im vergangenen Jahr sandte Recep Erdogan eine halbherzige Beileidsbekundung an die Adresse der Armenier. Es fehlen bislang aber der Mut und die Bereitschaft der türkischen Regierung zum ehrlichen Eingeständnis historischer Verantwortung für die armenische Tragödie und zu einer echten Entschuldigung.

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